BUND Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland


September – Der Hopfen

Es ist in unseren Landen sicher nicht falsch anzunehmen, dass jeder schon einmal mit Freude Bier getrunken hat. Biertrinker (also wir alle) lassen sich grob in zwei Klassen einteilen; die einen werden bei übermäßigem Biergenuss besoffen, die anderen schlafen vorher ein (ich, zum Beispiel). Letzteres wiederum liegt daran, dass Bier nicht nur aus Gerstenmalz, sondern auch aus Hopfen gebraut wird, einer Pflanzenart, die neben ihrer Bedeutung für das meistgeschätzte Getränk der Welt auch als Heilpflanze mit beruhigender Wirkung bekannt ist. Wenn auch die Landstriche, in denen braufähiger Kulturhopfen angebaut wird, weit im Süden Deutschlands liegen, so kann man die wilde Stammform des Hopfens auch bei uns überall finden, wo der Boden nährstoffreich und feucht ist, wie man sie in Flussauen, an Seeufern und in Sümpfen aller Art findet. Dort windet er sich an Büschen und Bäumen empor (Bild 1).

Bild 1

In den Anbaugebieten beginnt jetzt im September die Erntezeit. Hier bei uns macht das jedoch niemand, und so kann man an den Hopfenranken jetzt an vielen Pflanzen die zapfenähnlich aussehenden Fruchtstände sehen (Bild 2). Nicht an allen Pflanzen bilden sich diese kompakten, sogenannten Hopfendolden, die jedoch in Wirklichkeit botanisch korrekt zu den  Ähren gehören. Hopfen ist nämlich getrenntgeschlechtlich, und deshalb tragen natürlich nur die weiblichen Pflanzen Früchte. Die männlichen Pflanzen zeigen jetzt nur noch ihr Laub, das Ahornblättern ähnelt, denn ihre lockeren Blütenrispen (Bild 3) sind längst verblüht und verschwunden.

Bild 2
Bild 3

Und auch das Laub ist nicht von Dauer, egal ob Männlein oder Weiblein. Während die Hopfendolden ausreifen, trocknen und schließlich auseinanderfallen (Bild 4), werden die Blätter gelb und verwelken (Bild 5). Die oberirdischen Teile des Hopfens sterben komplett ab, und die Pflanze treibt jedes Frühjahr aus der Wurzel neu aus. Die abgestorbenen Triebe sind jedoch recht haltbar und bleiben den Winter über in den Zweigen hängen (Bild 6). Es kommt immer wieder vor, dass ordnungswütige Zeitgenossen diese Vorhänge abreißen. Damit richten sie aber durchaus Schäden an. Zum einen dämpfen diese Rankenvorhänge den kalten Winterwind, so dass Waldtiere immer gerne Schutz in den dichten Verhauen suchen, der Hopfen selbst ist aber auch darauf angewiesen, dass seine alten Ranken im Frühjahr noch erhalten sind. Normalerweise beginnt Hopfen sein Wachstum nämlich zu einer Zeit, wenn auch die Büsche und Bäume noch klein sind. Wachsen die Gehölze heran, heben sich die Zweige irgendwann vom Boden ab und werden für den austreibenden Hopfen unerreichbar – es sei denn, die alten Ranken hängen noch von oben herab, und er kann sich an ihnen bis zu den Halt gebenden Zweigen emporwinden (Bild 7).

Bild 4
Bild 5
Bild 6
Bild 7

Damit unterscheidet sich der Hopfen wesentlich von anderen Lianen wie etwa Efeu und Waldreben, die auch oberirdisch ausdauern und so Jahr für Jahr immer mächtiger werden. Dem liegt auch eine andere ökologische Strategie zu Grunde: Während die ausdauernden Lianen sozusagen den Bäumen in die Höhe folgen, um im Bereich der Baumkronen das Licht der Sonne erreichen zu können, wird der Hopfen nur etwa sechs Meter hoch. Er hält sich daher an die sonnigen Waldränder, die er mit dichten Vorhängen zu ummanteln vermag (Bild 8). Dringen die Büsche in die offene Umgebung vor und werden die Äste der Bäume ausladender, kann der Hopfen dem Vorrücken des Waldrandes mit einem dichten und weitstreichenden Wurzelsystem folgen, aus dem er jedes Jahr neue Triebe nach oben entsendet.

Bild 8

Und das ist gar nicht schlecht, denn die jungen Hopfensprosse eignen sich als Wildgemüse. Man erntet nur die zarten Spitzen und kocht sie in Salzwasser. Dann haben sie einen feinen harzigen Geschmack. Schwieriger ist schon die traditionelle Verwendung als Hopfenspargel. Dafür muss man die frischen, noch weißen Schösslinge aus der Erde graben. Angesichts der Tatsache, dass Hopfen naturgemäß fast immer in von festen Buschwurzeln durchwirktem Boden vorkommt, ist das eine mühsame und schweißtreibende Handarbeit. Gleichwohl hat Hopfenspargel in manchen Gebieten eine gewisse Rolle als regionale Spezialität. Die aufwendige Ernte und die nur kurze Saison von wenigen Wochen im Vorfrühling führen allerdings zu den höchsten Preisen, die man in Deutschland für Gemüse bezahlen kann. Demgegenüber kann man die grünen Triebspitzen ohne große Mühe solange ernten, bis man ganz einfach nicht mehr heranreichen kann. Dennoch haben die es nirgendwo zum Status einer regionalen Spezialität gebracht.

Ebenfalls in Vergessenheit geraten ist eine verblüffende und nützliche weitere Verwendung des Hopfens: Legt man die trockenen Hopfendolden im Bücherregal hinter die Bücher, schützen sie diese vor Feuchtigkeit und Kerbtieren aller Art, die in Papier und Bindeleim Schaden anrichten können, aber die ätherischen Öle des Hopfens meiden. Natürlich muss man dann jedes Jahr die Hopfendolden austauschen, aber daran ist ja kein Mangel.

Ansonsten wird Hopfen natürlich hauptsächlich beim Bierbrauen verwendet. Er verleiht dem Bier die typische Bitterkeit (und auch einigen Kräuterschnäpsen). Seine eigentliche Funktion ist aber, das Bier haltbar zu machen. Ohne Hopfen verdirbt das Bier innerhalb weniger Wochen. Die Entdeckung, dass Hopfen dem Abhilfe schafft, ist schon uralt. Hopfen lässt sich schon in jungsteinzeitlichen Hinterlassenschaften nachweisen. Es gibt sogar eine Theorie, der zu Folge der Hopfen unmittelbar an der Sesshaftwerdung der Menschheit beteiligt ist. Und das soll so gegangen sein:

Laut dieser Theorie bot sich Getreideanbau nicht von sich aus als Option für die damaligen (Noch-) Jägerkulturen an. Die wilden Stammformen des Getreides hatten harte, wenig ergiebige Samen, die mühsam zu ernten und schwer zu verdauen waren. Warum also sollten sich Jäger ihnen widmen, umso mehr, als deren Anbau sie auch noch für längere Zeit von ihren Streifzügen abgehalten hätte? Demgegenüber konnte man aber auch Samen von wild wachsenden Gräsern leicht vergären und auf die Weise eine Art Urbier herstellen. Das dauerte nur wenige Wochen und war in den Zeiträumen, in denen Jägerkamps aufrecht erhalten wurden, ohne Weiteres machbar. Dass die damaligen kräuterkundigen Naturvölker recht bald auf die konservierende Wirkung des Hopfens kamen, kann man sich ebenfalls leicht vorstellen. Da sich im vorderen Orient, wo die Entdeckung von Ackerbau und Viehzucht stattgefunden hat, die dortigen Jägervölker regelmäßig an zentralen Kultplätzen einfanden, ist weiterhin leicht vorstellbar, dass man schließlich einige Priester dort beließ, deren Hauptaufgabe zwischen den einzelnen Festen war, für einen ausreichenden Nachschub an Bier zu sorgen, so dass diese darauf verfielen, die dafür benötigten Gräser zu bevorraten und schließlich auch selbst anzubauen. Da schon das Sammeln von großen Körnern leichter ist als von kleinen, habe es automatisch zu einer Zuchtwahl von immer größeren Körnern geführt, bis schließlich Korngrößen erreicht waren, die auch als Grundnahrung genießbar waren und all die Umwälzungen auslösten, die die Einführung des Ackerbaus weltweit mit sich brachte. Das Bier als Grund allen Seins! Dass diese Theorie von einem bayrischen Professor stammt, verwundert wohl ebenfalls nicht.

Immerhin dürfte die Hinzufügung von Hopfen auch noch in einer anderen Hinsicht bedeutsam gewesen sein. Alkohol enthemmt ja bekanntlich, und in einer Gesellschaft, wo beinahe jeder Waffen trägt, kann man sich leicht vorstellen, wohin das führen kann. Wahrscheinlich war die eher besänftigende Wirkung des Hopfens daher durchaus ebenfalls erwünscht. Wenn heute noch Leute wie ich beim Biertrinken einschlafen, geht das also möglicherweise auf steinzeitliche Konfliktvermeidung zurück. Ansonsten ist wohl nicht allgemein bekannt, dass der Hopfen als Sedativum auch in der modernen Pharmazie eingesetzt wird.

Dass der Hopfen über entsprechende Inhaltstoffe verfügt, liegt daran, dass er aus einer Verwandtschaft kommt, die ohnehin für ihre Drogenproduktion berühmt ist: Er gehört zu den Hanfgewächsen. Der namengebende Hanf mit seinen fingerförmig geteilten Blättern (Bild 9) ist ja jedem als Symbol der Hippie- und Esoterenszene geläufig, die mit Hilfe der aus Hanf gewonnenen Drogen Marihuana und Haschisch in erweiterte Bewusstseinssphären vordringen wollten. Sehr viel profaner ist dagegen seine Nutzung als Körnerfutter. Er ist in allen möglichen Vogelfuttermischungen vorhanden, so dass er auch immer wieder in unseren Gärten aufkeimt (Bild 10). Lässt man ihn dort stehen, wächst er im Laufe des Sommers zu einer stattlichen Pflanze von mitunter über zwei Metern Höhe heran und erfriert im folgenden Winter zuverlässig. In warmen Sommern kommt er dann auch zur Blüte (Bild 11), und dann macht ihn sein weitreichender süßer Duft unverkennbar. Und spätestens das ist dann so eine Sache:

Bekanntlich ist der Anbau von Hanf wegen seiner Verwendung als Droge verboten. Wie die Rechtslage ist, wenn ich ihn gar nicht angebaut habe, sondern Pflanzen, die von alleine aufgekommen sind, nur nicht ausgerissen habe, weiß ich auch nicht genau. Doch ich hoffe sehr, dass eine zugelassene Verwendung von Hanf als Vogelfutter in unserem Land nicht dazu führen kann, dass unbescholtene Gartenbesitzer, in deren stillen Winkeln sich ungewollt ein paar - womöglich dem Gärtner unbekannte - Pflänzchen ansiedeln, unversehens kriminalisiert werden. Dies umso mehr, als Hanf in unserem Klima die als Droge genutzten Alkaloide im Freiland gar nicht produzieren kann.

Bild 9
Bild 10
Bild 11
Quelle: http://archiv.bund-herzogtum-lauenburg.de/projekte/monatsbeobachtungen/2015/september_hopfen/