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November – Späte Genüsse

Und wieder ist es soweit, dass der flammende Herbst sich seinem Ende zuneigt und die Welt in Grau- und Brauntönen zurück lässt. Doch ganz so farblos ist auch der Spätherbst nicht. Je mehr welke Blätter von den Bäumen fallen, desto mehr fallen Beeren und andere Früchte auf, die auch jetzt noch an den Zweigen hängen. Das sieht nicht nur hübsch aus, viele von diesen späten Früchten sind auch essbar und bieten uns unvermutete späte Genüsse, auch wenn man manchmal erst die Tricks kennen muss.

Zum Beispiel die allbekannte Vogelbeere (Bild 1). Wenn man sie roh in den Mund steckt, schmeckt sie einfach scheußlich. Sie ist bitter und randvoll mit Stoffen, die einen unangenehmen, pelzigen Geschmack im Mund hinterlässt. Giftig ist sie jedoch nicht. Wenn man also weiß, wie man sie zubereitet, kann man eine leckere Marmelade mit Vogelbeeren kochen. Und das geht so: Zunächst werden die Beeren für eine Nacht in Essigwasser (5%) eingelegt. Damit wird das Gros der Bitterstoffe neutralisiert. Übrig bleibt nur gerade genug, um der Marmelade eine interessante herbe Note zu geben. Dennoch mischt man die Vogelbeeren am besten mit anderem späten Obst.

Bild 1

Nach einem schwedischen Rezept mischt man die Beeren im Verhältnis 1:1 mit Äpfeln und gibt unmittelbar vor dem Abfüllen in die Gläser noch einen ordentlichen Schuss Sherry dazu. Jeder, dem normale Marmeladen zu süß sind, sollte dieses Rezept einmal ausprobieren. Alternativ kann man auch zu jeweils gleichen Teilen Äpfel, Birnen und Vogelbeeren und dann mit Vanille und Zimt abschmecken. Das Ergebnis schmeckt dann im wahrsten Sinne des Wortes nach Weihnachten. Ich war jedoch auch einmal spät dran und habe die Vogelbeeren erst nach ein paar Frosttagen gesammelt. Sie sahen dann bereits verschrumpelt und unansehnlich aus, und das meiste konnte man auch wegwerfen. Aber die Beeren, die dann übrigblieben, ließen sich auch ohne Äpfel und Birnen und ohne vorher entbittert zu werden einkochen und ergaben eine der leckersten Marmeladen, die jemals gekocht habe.

Nun hat sich der Ebereschenbaum, der die Vogelbeeren liefert, in grauer Vorzeit auch mit der Mehlbeere gekreuzt, und zwar mehrfach. Etwa zur Bronzezeit, als es deutlich wärmer war als heute, drang die Mehlbeere bis in den Ostseeraum vor. Es waren aber wohl nie wirklich viele, so dass es häufig zu Bastarden kam, die interessanterweise meist erbfest waren und sich zu neuen Arten entwickelten. Während die Mehlbeere sich wieder in den wärmeren Süden zurück zog, blieben ihre Tochterarten im Norden erhalten. Skandinavien und die Britischen Inseln sind voll mit solchen oft nur kleinräumig verbreiteten und erst nach der Eiszeit entstandenen Arten. Zwei dieser Arten, nämlich die Schwedische Mehlbeere (Bild 2) und die Bastardeberesche (Bild 3) kommen auch bei uns vor. Ihre Beeren sind genauso nutzbar wie die Vogelbeeren. Sie sind nicht ganz so bitter, dafür aber mehliger und weniger aromatisch.

Bild 2

Ebenfalls eine hervorragende Marmelade lässt sich aus Hagebutten kochen, den Früchten unserer Wildrosen. Wer mit dem Sammeln nicht viel Aufwand treiben möchte, der sucht Stellen, wo die aus Japan stammende Kartoffelrose verwildert ist. Ihre Hagebutten sind weitaus größer und fleischiger als die der einheimischen Rosenarten (Bild 4), allerdings verschwinden gerade jetzt die letzten in den Schnäbeln der Amseln, so dass man sich beeilen muss, wenn man noch etwas abhaben will. Demgegenüber bieten die kleineren, harten Hagebutten der Hundsrose den Vorteil, dass sie noch lange, oft bis tief in den Winter hinein, an den Rosenzweigen hängen, so dass noch Zeit bleibt, sie einzusammeln (Bild 5). Egal aber, welche Hagebutten man nimmt, empfehlenswert ist, die Hagebutten erstmal einfach so zu kochen, wie sie sind und die breiige Masse dann durch ein Sieb zu passieren, um die pelzigen Samen und die Kelchblattreste loszuwerden. Das gesiebte Mus wird dann noch einmal kurz aufgekocht und in die Gläser gefüllt. Natürlich kann man die Früchte auch roh säubern, aber das ist eine Sysiphusarbeit.

Bild 3
Bild 4
Bild 5
Bild 6

Eine weitere Art aus fernen Ländern, die sich bei uns eingebürgert hat, ist die Spätblühende Traubenkirsche. Da sie spät blüht, fruchtet sie auch spät, das dann aber in Massen (Bild 6). Bei den Naturschützern ist die Spätblühende Traubenkirsche ausgesprochen unbeliebt, das ändert aber nichts daran, dass ihre Kirschen einen guten Geschmack haben. Auch diese Früchte sind etwas herbe, und roh sollte man sie erst essen, wenn sie bereits abzufallen beginnen. Die Marmelade jedoch ist exzellent und passt mit ihrer herben Note irgendwie zu den rauen Herbsttagen mit ihren jagenden Wolken und peitschenden Regenfällen.  Man kann sie nicht nur auf dem Brötchen essen, sondern zum Beispiel bei Wildgerichten den traditionellen Klacks Preißelbeeren auf dem Apfelkompott durch sie ersetzen. Und den Naturschützern zum Trost treiben Früchte, die man für die Küche gesammelt hat, im Freiland nicht mehr aus.

Mit den Traubenkirschen nahe verwandt sind die Schlehen (Bild 7). Schlehen ähneln in ihren Eigenschaften insofern den Vogelbeeren, als auch sie einen unangenehmen pelzigen Belag im Mund erzeugen. Nach anhaltenden strengen Frösten kann man sie jedoch auch roh essen, doch findet man dann meist keine mehr, weil allerlei Tiere schneller waren. Sammeln sollte man sie also rechtzeitig, ber doch bis zu den ersten Frösten warten, weil sie dann erheblich genießbarer werden. Auch aus ihnen lässt sich ein sehr gutes Gelee kochen, vor allem kann man sie aber mit Wodka oder Korn zu einem Schlehenlikör verarbeiten. Der ist lecker und wärmt an kalten Tagen.

Bild 7

Die Früchte, die wohl am längsten an den Sträuchern hängen bleiben, dürften wohl die des Schneeballs sein (Bild 8). Sie hängen oft noch bis in den Februar an den Zweigen, und keiner will sie haben. Warum das so ist, kann ich auch nicht sagen, denn eigentlich verfehlen Früchte ihren Zweck, wenn keiner sie essen mag.  Gleichwohl sind sie keineswegs giftig, und auch sie lassen sich zu Gelees und Mareladen verarbeiten.

Bild 8

Natürlich heißt das nicht, dass man unbefangen alles als Nahrung nutzen kann, as da mit leuchtenden Farben lockt. Der verführerisch roten Früchte der immergrünen Stechpalme (Bild 9) zum Beispiel sind giftig und man sollte auf jeden Fall die Finger davonlassen. Das gilt auch für die eigenartigen, leuchtenden Früchte des Pfaffenhütchens (Bild 10 und 11), die aufspringen und die Samen herausbaumeln lassen. Vögel können sie anscheinend schadlos futtern, was sie auch in großen Mengen tun, während das für unsereinen ganz und gar nicht zuträglich wäre. Für uns bleibt daher nur die Freude an der prächtigen Farbe, und das gilt nicht nur für die Früchte, sondern auch für das intensive Herbstlaub. Unter all den Gelb-, Gold- und Brauntönen, die in unserem Herbst vorherrschen, ist das Pfaffenhütchen eine der wenigen Arten, die uns mit einem flammenden Rot beglücken, so dass ihre Sträucher immer wieder in der herbstlichen Landschaft auffallen. Doch ist diese Pracht vergänglich, und in diesen Tagen sind auch die Pfaffenhütchenblätter nur allzu schnell vom Winde verweht.
Dr. Heinz Klöser

Bild 9
Bild 10
Bild 11
Quelle: http://archiv.bund-herzogtum-lauenburg.de/projekte/monatsbeobachtungen/2015/november_genuesse/