Damit aber entsteht ein als halbimmergrün klassifizierter, zweischichtiger Waldtyp, wie er für mildere, sogenannte submediterrane Zonen kennzeichnend ist, also einer Zone im Übergang der winterkahlen Wälder Mitteleuropas zu den immergrünen Hartlaubwäldern des Mittelmeerraums.
Ist das nun schlimm? Schlimm ist selbstverständlich, dass wir überhaupt das Klima verändert haben und den Zeitpunkt, wo man dies noch hätte verhindern können, längst hinter uns gelassen haben. Ansonsten ist es aber ganz natürlich, dass sich zu jedem Klima die passende Vegetation einstellt, und wenn wir das Klima verändern, müssen wir auch hinnehmen, dass sich die Vegetation dem anpasst. Schaut man sich unsere Parks und Gärten an, so bekommt man ohnehin den Eindruck, dass dem Gros der Bevölkerung eine halbimmergrüne Vegetation eigentlich lieber wäre.
Tatsächlich ist es fraglich, ob in Schleswig-Holstein, Dänemark, Niedersachsen und Mecklenburg die ursprünglichen Wälder überhaupt rein winterkahl gewesen sind. Es ist durchaus möglich, dass der Charakter rein laubwerfender Wälder in diesen Räumen erst durch die weitgehende Ausrottung der Eibe und die forstliche Unterdrückung von Stechpalme und Efeu in früheren Jahrhunderten hervorgerufen wurde. Dann würde die „Laurophyllisation“ zumindest bei uns nicht einen grundsätzlichen Lebensraumwechsel bedeuten, sondern die Wiederherstellung eines ursprünglichen, uns heute aber nicht mehr erinnerlichen Waldtyps.
Aber so einfach, ach, ist es nicht. Infolge des Klimawandels würden auch immer mehr aus dem Mittelmeerraum nach Norden ausweichende Arten zu uns kommen. Was machen wir dann? Nehmen wir sie als biologische Klimaflüchtlinge bei uns auf? Oder betrachten wir sie als unerwünschte Fremdlinge, die wir bekämpfen – insbesondere, wenn wir ihre Zuwanderung bereits durch unsere Gartenkultur vorweggenommen haben, so dass wir gar nicht mehr erkennen können, wenn eine natürliche Zuwanderung einsetzen würde? Man braucht nur zu den Britischen Inseln hinüber zu schauen, um zu erahnen, was da auf uns zukommt. Dort wird vehement gegen Rhododendron, Steineiche und Lorbeer gekämpft, die gleichzeitig in ihrer südlichen Heimat immer stärker in Bedrängnis geraten und sprichwörtlich Boden verlieren. Kann man tatsächlich als Naturschützer vertreten, ungerührt zuzulassen, dass solche Arten im Süden aussterben, weil wir sie bei uns im Norden nicht haben wollen und ihnen damit eine nördlichere Zuflucht verweigern? Unbequeme Fragen – Fragen, die im Naturschutz bislang kaum die nötige Aufmerksamkeit finden, auf die wir aber bald Antworten finden müssen.
Denn die Anfänge sind längst erkennbar. So finden sich immer wieder wild wachsende Lorbeerkirschen in unseren Wäldern (Bild 15). Bislang sind das alles nur Gartenflüchtlinge, sicher. Was aber, wenn es in ihrer kaukasischen Heimat (Bild 16) eng wird? Die Klimaprognosen lassen erkennen, dass ganz Vorderasien und weite Bereiche des Balkans bei weiterhin ungebremster Klimaerwärmung auf lange Sicht veröden könnten. Müssten wir dann nicht akzeptieren, dass die Lorbeerkirsche Bestandteil unserer Flora und Vegetation wird? Die von uns Naturschützern ungeliebte Lorbeerkirsche, die gleichwohl auch ein Recht auf Erhalt in der Zukunft hat?
Dr. Heinz Klöser