BUND Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland


Dezember – Eis auf den Seen

Die letzten Blumen sind verblüht, die Blätter gefallen, und die Kraniche und Wildgänse verziehen sich in wärmere Gefilde (Bild 1). Kalte Winde aus dem Norden wehen über das Land, und grauer Nebel hüllt alles in eine geheimnisvolle, dumpfe Eintönigkeit (Bild 2). Solange der Boden noch herbstlich warm ist, kommt es jedes Mal, wenn kalte Winterluft darüber streicht, zu diesem Nebel, weil die Feuchtigkeit, die aus dem von Regen gesättigten Boden verdunstet, in der kalten Luft umgehend auskondensiert. Die Kraft der Sonne reicht oft noch aus, die Luft im Laufe des Tages hinreichend zu erwärmen, dass sich der Nebel auflöst (Bild 3), doch wird es unweigerlich immer frostiger, und irgendwann kommt kein Nebel mehr, weil auch der Boden so kalt geworden ist, dass er gefriert.

Bild 1
Bild 2
Bild 3

Dann hat der Winter endgültig Einzug gehalten, und es dauert nicht mehr lange, bis Schneefälle einsetzen und die Landschaft zudecken (Bild 4). Nur die Seen, deren Wasser die Wärme länger speichern kann als das Land, bleiben noch eine Weile offen (Bild 5). Schließlich überziehen auch sie sich mit hartem Eis, und nun erscheint die ganze Welt erstarrt.

Bild 4
Bild 5

Ganz so erstarrt ist die Welt dann aber doch nicht, denn schon während der Eisbildung und auch danach laufen in den winterlichen Seen spannende Prozesse ab. So kann sich Eis auf ganz unterschiedliche Art und Weise bilden. Meist geschieht dies in stillen, klaren Frostnächten. Dann bildet sich zunächst eine hauchdünne Eishaut an der Oberfläche, wo die Wärme des Wassers an die frostige Luft abgegeben wird. Die Eishaut besteht aus einzelnen Eiskristallen, die wachsen, bis sie aneinanderstoßen und dann zusammenfrieren. Danach können sie nur noch in die Tiefe wachsen, und deshalb besteht das dicker werdende Eis aus Eissäulen, deren jede aus dem jeweils ursprünglichen Eiskristall hervorgegangen ist. Manchmal, wenn man im richtigen Moment an der richtigen Stelle ist, kann man diese Eissäulen auch sehen; dann nämlich, wenn das Eis wieder taut und dadurch die Eissäulen auseinanderfallen. Während sie weiter schmelzen, treiben für eine kurze Zeit im Wasser und werden mitunter vom Wind ans Ufer getrieben (Bild 6). Jetzt aber, da sich das Eis ja erst einmal bildet, kann man solches Säuleneis oft daran erkennen, dass es eine Maserung besitzt. Die entsteht, weil beim Gefrierprozess eigentlich nur das reine Wasser selbst ausfriert, während Trübstoffe und Schwebeteilchen durch den wachsenden Eiskristall solange verdrängt werden, bis das wegen der benachbarten und sich ebenfalls ausdehnenden Eiskristalle nicht mehr möglich ist. Dann bilden sich Grenzflächen, in denen diese Materialien sich anreichern und schließlich eingeschlossen werden, und die sind als dunkleres Netzwerk sichtbar (Bild 7).

Bild 6
Bild 7

Kommt jedoch während der Bildung der anfänglichen Eishaut Wind auf, zerbricht sie. Die Bruchstücke werden durch den Wind und die dann einsetzenden Wellen übereinander geschoben und frieren so wieder zusammen (Bild 8). Das dann daraus weiterwachsende Eis hat infolgedessen natürlich eine sehr viel unregelmäßigere Textur.

Bild 8

Wie dem auch sei, in jedem Fall braucht das Eis Zeit, um dick genug zu werden, damit Wagemutige sich trauen können, darauf zum Beispiel Schlittschuh zu laufen. Aber auch wenn das Eis ausreichend dick ist, behält es doch seine Tücken. Normalerweise ruhen auf dem Grunde unserer Seen versunkenes Herbstlaub, Reste von Schilfblättern und Ähnlichem, dass sich unter Wasser nach und nach zersetzt. Dabei wird Sumpfgas - Methan – freigesetzt, dass nach oben steigt. Der aufsteigende Strom von Gasperlen reißt Wasser aus den wärmeren Tiefen des Sees mit nach oben, so dass im Eis über dem aufsteigenden Gas eine Tasche auftaut, in der sich das Gas sammelt. Ist das Eis noch so dünn, dass das dunkle Wasser noch hindurchschimmert, fallen die hellen Gastaschen leicht ins Auge (Bild 9). Wird das Eis jedoch dicker und damit heller oder liegt sogar eine Schneedecke auf dem Eis, kann man solche Gasblasen oft nicht leicht erkennen, und man ist nur allzu leicht eingebrochen.

Bild 9

Manchmal bricht die dünne Decke solcher Gasblasen auch von alleine ein, oder die obere Schicht taut einfach mal wieder weg, so dass das Gas entweichen kann und sich die Öffnung mit Wasser füllt (Bild 10). Dann kann man durchaus auf diesen Wasserlöchern die weiterhin aufsteigenden Gasblasen platzen sehen (Bild 11).

Bild 10
Bild 11

Eine ganz andere Art der Eisbildung ist möglich, wenn das Wasser ohnehin bereits weitgehend abgekühlt ist und es dann zu ergiebigen Schneefällen kommt. In solchen Fällen löst sich der Schnee mitunter nicht sofort im Wasser auf, sondern es bildet sich ein treibender Schneematsch, der zu solidem Eis ausfriert. Während dies geschieht, ist das junge Eis jedoch porös und breiartig weich. Fallen dann Wassertropfen von Zweigen überhängender Bäume auf das Eis oder – was ja oft bei uns vorkommt – wandelt sich der Schnee selbst am Schluss wieder in Regen, dann durchschlagen die Tropfen ohne Weiteres den Eisbrei, und die entstehenden kleinen Krater frieren so fest (Bild 12). Durch diese Perforationen wird dieses Eis, das ohnehin durch seinen lockereren Aufbau weniger fest als das Säuleneis ist, weiter in seiner Festigkeit geschwächt.

Bild 12

Vor allem erlauben die Öffnung aber auch dem unter dem Eis befindlichen Wasser, durch das Eis nach oben zu dringen. Dies geschieht dann, wenn sich auf der inzwischen fest gewordenen Eisplatte weiter Schnee ablagert, so dass das Gewicht der Schneedecke das Eis nach unten drückt. Da das flüssige Wasser selbstverständlich wärmer ist als der Schnee, in den es eindringt, entstehen rund um die Eislöcher dunkle Schneematschkreise, oder der Schnee schmilzt dort gleich ganz (Bild 13). Darunter kommen dann eigenartige Figuren zum Vorschein, die wegen ihrer Gestalt als Eiskraken bezeichnet werden (Bild 14). Sie bezeugen, dass das Wasser nicht nur den Schnee aufgelöst hat, sondern rund um Eislöcher auch das Eis selbst angetaut hat. Die verästelten Arme des Eiskraken folgen dabei den Wegen, die das eindringende Wasser im Maschenwerk des nun verschwundenen Schnees genommen hatte. Im Weiteren friert auch der Eiskrake wieder durch. Dennoch bleibt auch hier eine Schwachstelle, an der die Gefahr einzubrechen erhöht ist.

Bild 13
Bild 14

Und so bleibt immer ein Nervenkitzel, wenn man sich aufs Eis hinaus wagt. Gleichwohl beeindruckt das die vielen Eisläufer im Winter nicht, und selbst die Waldtiere, die ihr Revier ja kennen, nehmen gerne die Abkürzung über den See, wenn das Eis erst einmal tragfähig genug geworden ist. Liegt ein wenig Schnee auf dem Eis, kann man leicht sehen, wer da alles in der vorausgegangenen Nacht auf dem Eis unterwegs war (Bild 15).

Bild 15

Ein paar Worte in eigener Sache:

Mit dieser Folge kommen die Monatsbeobachtungen in der Lauenburgischen Natur zum Abschluss. Diese Kolumne zu schreiben, hat mir immer große Freude bereitet. Inzwischen haben sich aber vielfältige neue Verpflichtungen in meiner Naturschutzarbeit ergeben, die mir dringendere und oft weniger freudvolle Einsätze abverlangen. Als Folge davon wird nicht nur die verfügbare Zeit, sich mit den Monatsberichten zu befassen, immer knapper, ich habe auch immer seltener den Kopf frei, rechtzeitig auf neue schöne Ideen zu kommen. Diejenigen, die diese Berichte regelmäßig gelesen haben, werden ohne Zweifel bemerkt haben, dass es mir immer schwerer gefallen ist, die Beiträge jeweils pünktlich zum Monatsanfang abzuliefern. Ich bitte daher um Verständnis, wenn ich nun die Konsequenzen ziehe und von weiteren Berichten absehe.

Insgesamt sind die Monatsbeobachtungen vier Jahre lang gelaufen. Dabei ist im Laufe der Zeit der Umfang eines kleinen Taschenbuches zusammen gekommen. Während dieser Zeit habe ich immer engagierte Unterstützung durch Klaus Tormählen erhalten, der für den BUND diese Webseite betreut und in verdienstvoller Kleinarbeit meine Beiträge editiert hat. Ich danke ihm herzlich dafür. Ich danke auch meinen Lesern, von denen sich vielleicht einige auch zu eigenen Erkundungen in der wirklichen Natur haben anregen lassen. Ganz sicher werde ich mich auch weiterhin zu Wort melden. Dies wird aber eher in unregelmäßigen Abständen und aus aktuellen Anlässen heraus geschehen.
Dr. Heinz Klöser

Quelle: http://archiv.bund-herzogtum-lauenburg.de/projekte/monatsbeobachtungen/2015/dezember_eis/