Warum aber kam sie erst so spät? Vermutungen, dass es der Rotbuche mit ihren schweren Samen sehr viel schwerer fiel, Land zu gewinnen, darf man getrost ablehnen, denn die Eichen haben noch schwerere Samen, die auch einfach nur herunter fallen, und dennoch waren sie ziemlich schnell im Lande.
Möglicherweise spielt eine Rolle, dass die Rotbuche, dieser Superbaum, sehr wohl auch eine Achillesferse hat: Sie ist extrem gegen Verbiss empfindlich, und gleichzeitig schmeckt sie den Pflanzenfressern gut. Schon die Rothirsche ziehen ihr gerne die Rinde ab (Bild 17), und wo noch Weidevieh Zugang zu Wäldern hat, etwa in südlichen Mittelgebirgen, kann unter dem Weidedruck des Viehs kaum eine Buche unverkrüppelt heranwachsen (Bild 18). Wenn wir uns vergegenwärtigen, dass vor dem jagenden Menschen große Tiere wie Wisent (Bild 19) und Auerochse (Bild 20 – in Vertretung: ein Taurus-Rind) einen ähnlich starken Weidedruck aufrecht erhielten wie das spätere Vieh, das in die Waldweide getrieben wurde, kann man sich schon vorstellen, dass es der Rotbuche schwer fiel, im norddeutschen Flachland Fuß zu fassen. Und auch den Bibern, die sich erfreulicherweise wieder ausbreiten, schmeckt die Rotbuchenrinde gut. Wo immer Rotbuchen an steileren Seeufern nahe ans Wasser herangehen, schälen die Biber ihnen gerne die Rinde ab (Bild 21). Sie können die alten Rotbuchen zwar nicht fällen, aber mit der Zeit wird der Stamm geringelt, und dann stirbt er schließlich ab. Auch hier muss man sich fragen, ob die Rotbuche in der Nähe solcher Seen überhaupt von Natur aus wachsen konnte.