Flechten sind absonderliche Gebilde, schon alleine deshalb, weil wir zwar viele Flechtenarten unterscheiden, die aber tatsächlich gar keine Arten sind, sondern Lebensgemeinschaften, und zwar sehr enge, sogenannte Symbiosen. Um eine Flechte zu bilden, müssen sich immer ein Pilz und eine Alge zusammenfinden, und manchmal kommen auch noch Blaubakterien hinzu. Im Grunde sind Flechten lebendige Gewächshäuser, wobei der Pilz mit seinen Fäden die schützende Hülle baut, in der die Algen leben. Die Algen machen Photosynthese, und von dem, was die Algen produzieren, lebt auch der Pilz, der Saugorgane in die Algenzellen sendet. Das, was wir auf unseren Spaziergängen als Flechten sehen, sind also nur die pilzlichen Partner, auch wenn sie überhaupt nicht wie Pilze aussehen. Aufgrund ihrer eigenartigen Lebensweise haben diese Pilze völlig neue Lebensformen entwickelt, die jeweils für jede Flechtenpilzart so spezifisch sind, dass man sie daran als Art erkennen kann. Da die Algenpartner mikroskopisch klein sind, zieht man sie für eine Artzuweisung nicht heran.
Dabei sind die Partner in der Regel nicht frei austauschbar, sondern die jeweiligen Pilze können nur mit den genau für sie passenden Algenarten zusammen leben. Die Algen sind da flexibler und können auch ohne den Pilz zurechtkommen. Was aber haben die Algen dann davon, sich von dem Pilz aussaugen zu lassen? Die Antwort lautet schlicht: Gemeinsamkeit macht stark. Flechten kommen überall auf der Welt vor, vom letzten Felsen, der aus dem polaren Eis ragt, bis zum sonnenverbranntesten Wüstenboden, den man sich vorstellen kann. An solchen Orten könnten empfindliche einzellige Algen wohl kaum alleine überleben, und der Pilz könnte dort auch keine Nahrung finden. Gemeinsam, als Flechte, schaffen sie es aber und dringen dabei weiter vor als irgendeine andere Organismengruppe. Oft sind sie dort sogar besonders erfolgreich, da jegliche Konkurrenz längst aufgegeben hat.
Im Vergleich dazu ist angesichts der bei uns üppigen Vegetation unser Flechtensortiment geradezu ärmlich, und doch haben sie auch uns noch eine Fülle verschiedener Erscheinungen zu bieten. Der einfachste Flechtentyp sind die schon erwähnten Krusten, die eng und fest an ihre Unterlagen angeschmiegt sind. Die in unseren Gefilden auffälligste Krustenflechte dürfte die Landkartenflechte sein, die durch leuchtend gelbe Flächen auffällt, die von schwarzen Linien geschieden sind wie Staaten durch Grenzen auf Landkarten – daher der Name (Bild 3).