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Februar – Erinnerungen an die Urzeit

Sie fristen ihr Dasein im Verborgenen. Im Sommer, wenn alles grün und üppig ist, bemerkt man sie unter all den anderen Pflanzen gar nicht so recht. Erst jetzt, wo Blumen und Kräuter nur noch als hohle, welke Stengel im Wind schwanken oder sich ganz in den Boden zurück gezogen, fallen uns ein paar Pflanzen auf, die doch ein wenig seltsam wirken, und zwar nicht nur deshalb, weil sie unbeirrt grün sind. Das Absonderlichste an diesen wintergrünen Pflanzen ist dabei überhaupt nicht zu sehen, denn es handelt sich darum, dass all diese Gewächse niemals blühen. Die Rede ist von Bärlappen, Schachtelhalmen und Farnen.

Nachdem wir bereits schon einmal Moose betrachtet haben, ahnt wohl jeder, dass auch diese Pflanzen sich mit Sporen verbreiten. Das stimmt auch, und wie die Moose wechseln sich geschlechtliche und sporenwerfende, ungeschlechtliche Generation ab. Der wesentliche Unterschied zu den Moosen ist aber, dass nicht die geschlechtliche Generation die großen, augenfälligen Pflanzen stellt, sondern die ungeschlechtliche, die Sporen verstreut.

Bild 1

Damit ist auch schon klar, dass die starke visuelle Ähnlichkeit der Bärlappe (Bild 1) mit den Moosen nur oberflächlich sein kann. Die geschlechtliche Generation der Bärlappe ist allerdings nicht leicht zu finden. Es sind unterirdisch lebende, weißliche Knöllchen. Da sie ohne Sonnenlicht keine Photosynthese machen können, ernähren sie sich mit Hilfe von Pilzen, mit denen sie eine Symbiose eingegangen sind. In dieser Form können sie 12 bis 15 Jahre im Boden überdauern, bis es schließlich zur Keimung der sporentragenden Pflanze kommt, die dann an der Erdoberfläche erscheint, wie jede grüne Pflanze Photosynthese macht und sich mitunter zu ausgedehnten Matten ausbreitet (Bild 2). Vor allem aber produzieren sie Sporen in rauhen Mengen (Bild 3).

Bild 2
Bild 3

Die Sporen sind sehr fein und sehr ölhaltig und brennen leicht. Schon in alter Zeit fand man heraus, dass eine ins Feuer geworfene Sporenwolke mit einer beeindruckenden Stichflamme geradezu explodiert. Das hat den Bärlappen einen Ruf als Hexenpflanzen eingetragen, der manchmal auch heute noch zu spüren ist. Und so hat man die Bärlappe für allerlei Zaubereien benutzt. So wurden unter anderem aus Bärlapp Kränze geflochten, die getrocknet sehr leicht waren. An die Zimmerdecke gehängt, bewegten sie sich im leisesten Luftzug. Rührten sich die Kränze jedoch trotz Durchzug nicht, glaubte man zu wissen, dass ein Dämon ins Zimmer eingedrungen war. Prosaischer, aber wohl auch gerechtfertigter war hingegen die medizinische Nutzung der Sporen zum Beispiel als Wundreinigungsmittel oder ganz einfach als Trägerstoff in Pillen.

Bei den beiden anderen Gruppen, den Schachtelhalmen und den Farnen, sind die geschlechtlichen Generationen ebenfalls klein und unscheinbar, wachsen aber oderirdisch, sind grün und mehr oder minder lappenförmig. Damit ähneln sie oberflächlich den Lebermoosen, mit denen sie auch in Konkurrenz stehen. Die daraus erwachsenden Sporenträger sind jedoch in der Regel groß und bilden viele verschiedene Formen aus, von denen die meisten jetzt im Winter genau wie die Blütenpflanzen in der Erde verschwunden sind.

Bild 4

Aber nicht alle:
Ein stattlicher immergrüner Vertreter der Schachtelhalme ist der Winterschachtelhalm (Bild 4). Im Gegensatz zu den nur im Sommer grünen Arten ist er nicht verzweigt, sondern ähnelt eher binsenartigen Pflanzen. Allerdings weisen auch seine Stengel die für Schachtelhalme typische und namengebende Gliederung auf und oft auch noch die inzwischen entleerten Sporenzapfen an der Spitze. Winterschachtelhalme lieben nasse, aber nicht sumpfige und dabei kalkhaltige Wuchsorte. Und wo finden wir die? An Sickerquellen, von denen es in unserer Moränenlandschaft eine ganze Reihe gibt. Hier ist der Winterschachtelhalm in der Lage, ausgedehnte Bestände zu bilden (Bild 5), die gerade in dieser Zeit besonders auffallen, so dass der Artname recht treffend ist, auch wenn selbstverständlich die Winterschachtelhalmbestände auch im Sommer präsent sind, aber dann fesseln so viele andere Gewächse unseren Blick…

Schachtelhalme sind – wie die Bärlappe – Vertreter einer uralten Pflanzengruppe, deren größte Entfaltung im Steinkohlenzeitalter vor über 300 Millionen Jahren lag. Das ist fast doppelt so lange her wie die Blütezeit der Dinosaurier! Damals bildeten die Bärlappe und Schachtelhalme große Bäume, die die damaligen Wälder dominierten, Wälder, deren Holz uns heute eben als Steinkohle überkommen ist. Heute sind nur noch krautförmige Arten am Leben, aber dass es sie überhaupt noch gibt, ist erstaunlich genug. Und nicht nur das: Im Wesentlichen haben sie sich seit dem Steinkohlenzeitalter nicht mehr verändert, als hätten sie für sich die Evolution anhalten können. Offensichtlich haben sie Nischen gefunden, in denen sie über all die Jahrmillionen erfolgreich waren und gar keine neuen Anpassungen benötigten.

Bild 5

Vielleicht sollte man daran denken, wenn einem im eigenen Garten mal wieder die häufigste Art, der Ackerschachtelhalm, die Beete zuwuchert. Immerhin kann man aus diesen seltsamen Pflanzen auch einen Nutzen ziehen. Man kann Schachtelhalme wegen des hohen Kieselsäuregehaltes als Scheuermittel benutzen, wie man es früher zum Zinngeschirrputzen gemacht hat, aber auch zur Herstellung von Jauchen für die Schädlingsbekämpfung im Nutzgarten. Schon seit der Antike ist auch seine heilsame Wirkung bekannt; man kann ihn zum Harntreiben und Blutstillen benutzen. Aber all das sollte man nicht mit dem Winterschachtelhalm tun. Im Gegensatz zu seinen im Sommer so häufigen Artverwandten steht aufgrund seiner wenigen Vorkommen unter Naturschutz.

Auch die dritte eingangs erwähnte Pflanzengruppe, die Farne, gibt es bereits seit dem Steinkohlenzeitalter. Im Gegensatz zu Bärlappen und Schachtelhalmen haben sie sich aber sehr wohl weiter entwickelt. Es sind die Farne aus denen im Laufe der Evolution die Vielfalt der Blütenpflanzen hervor gegangen ist. Gleichwohl haben sich auch die Farne selbst als Zeugen einer fernen Vergangenheit erhalten. Wie bei den Schachtelhalmen sind auch bei unseren Farnarten die meisten im Winter verschwunden, aber auch hier gibt es immergrüne Ausnahmen, insbesondere den Tüpfelfarn (Bild 6), der von Natur aus gerne in der Moderschicht trockener Eichen-Birken-Wälder wächst. In unserer Kulturlandschaften ist er aber häufiger auf trockeneren Lesesteinwällen oder den auf den trockenen Kronen der Knickwälle zu finden. Er besitzt die Fähigkeit, in Zeiten sommerlicher Dürre weitgehend auszutrocknen und dennoch wieder zu ergrünen und weiter zu wachsen, sobald wieder Regen einsetzt.

Bild 6

Der andere immergrüne Farn, den unsere Natur zu bieten hat, der Rippenfarn (Bild 7), kann das nicht. Er liebt feuchte, schattige Standorte mit saurem Boden, so dass er vorzugsweise in Fichtenwäldern zu finden ist, wie sie in Skandinavien verbreitet sind. Bei uns findet er sich entsprechen meist in alten Nadelforsten, und dort gerne entlang von Gräben (wenn auch nicht ausschließlich). Er trägt zwei verschiedene Typen von Wedeln, solche mit schmalen Fiedern, deren Hauptaufgabe darin besteht, die Sporen abzusetzen, und solche mit breitflächigen Fiedern, die die Photosynthese machen. Schon dadurch ist er auch im Sommer nicht zu verwechseln.

Rippenfarne sind einheimisch, aber sie haben dennoch einen weiten Weg hinter sich. Ihre Urheimat liegt am anderen Ende der Erde in den kühlen Südenden der Kontinente, die der Antarktis benachbart sind. Dort gibt es eine Fülle von Rippenfarnarten, während wir nur eine haben. Während der Eiszeit rückten nicht nur die kühlen Zonen der hohen Breiten äquatorwärts vor, sondern auch die Höhenstufen in den Gebirgen sanken auf geringere Höhen. Und so entstand in Mittelamerika eine hinreichend kühle Gipfelregion, die die Anden mit den Rocky Mountains verband. Über diese Bergbrücke kam es zu einer Einwanderung zahlreicher Arten aus Nordamerika in den Süden, darunter Tannen, Eichen, Walnussbäume, Erlen und viele Kräuter, die zum Teil sogar Feuerland erreichten. Es gab aber auch eine Wanderung in die umgekehrte Richtung, und diesen Weg haben auch die Rippenfarne genommen, die mit drei Arten Nordamerika erreichten. Und von dort hat dann eine, unser Rippenfarn, dann die ganze Nordhalbkugel erobert.

So erzählen uns diese Pflanzen Geschichten aus alter Zeit. Ein bisschen Ironie ist natürlich dabei, wenn gerade jetzt im Winter eine Erinnerung an tropische Steinkohlenwälder wach gerufen wird, die heute am ehesten den Sumpfwäldern am Amazonas vergleichbar sein dürften.
Dr. Heinz Klöser

Bild 7
Quelle: http://archiv.bund-herzogtum-lauenburg.de/projekte/monatsbeobachtungen/2014/februar_urzeiterinnerungen/