August – Trockenrasen

Es ist Hochsommer, und damit kommt auch die hohe Zeit der Heiden, deren spektakuläre Blüte jetzt beginnt (Bild 1). Von Dichtern besungen, schlägt sie uns heute noch jedes Jahr auf’s Neue in ihren Bann. Wir haben jedoch auch noch andere offene Landstriche, die nicht minder blumengeschmückt sind und sogar noch stärker als die Heiden mit seltenen Arten aufwarten und doch weit weniger Aufmerksamkeit genießen, nämlich die Trockenrasen (Bild 2). Mit den Heiden haben sie gemein, dass es sich um dürre, magere Weidelandschaften handelt, die nur einen zwergenhaften Pflanzenwuchs erlauben. Aber damit enden die Gemeinsamkeiten auch schon fast.

Bild 1
Bild 2
Bild 3

Heiden werden von Zwergsträuchern geprägt, Trockenrasen von niedrigen Gräsern und Kräutern. Die Heimat der Heidepflanzen sind die windgepeitschten Felsen der atlantischen Küsten Westeuropas und die Tundren auf den Fjällen Norwegens, wo von Natur aus Bäume durch Kälte oder ständige Stürme zurückgedrängt werden. Der dort häufige Regen behindert die Verwesung der abfallenden Blätter, so dass sich saurer Rohhumus oder Torf bildet. Die darin enthaltenen Säuren lösen den Kalk, und das allgegenwärtige Wasser spült ihn fort. Es verwundert daher nicht, dass der Pflanzenwuchs der Heiden Ähnlichkeiten mit der Vegetation der Moore aufweist. Nach der Zerstörung unserer ursprünglichen Wälder durch übermäßige Viehweide schon zur Jungsteinzeit konnten sich die Heiden bis zu uns auf die bei uns häufigen, kalkarmen Quarzsandflächen ausbreiten.

Auch die Trockenrasen haben sich ursprünglich aus anderen Regionen zu uns ausgebreitet und verdanken ihre hiesigen Vorkommen ebenfalls der Überweidung unserer Waldlandschaft. Sie stammen aber aus ziemlich genau der entgegengesetzten Richtung als die Heiden, nämlich aus den Steppen und Wüsten im Inneren Eurasiens. Dort regnet es kaum, und der Kalk verbleibt im Boden oder reichert sich sogar an der Oberfläche an, wo ihn das dort verdunstende Bodenwasser zurück lässt. Und so finden wir die Trockenrasen auch bei uns eher auf kalkreichen Böden. Dass sie zum kontinentaleren Osten hin verbreiteter sind als die Heiden, die wiederum im ozeanischeren Westen überwiegen, ist bei der unterschiedlichen Herkunft der beiden Lebensgemeinschaften leicht einsehbar. Wie schön, dass wir genau im Übergangsgebiet liegen und von beiden gute Beispiele haben.

Bild 4

Trockenrasen haben bei uns vor allem in den von der modernen Landwirtschaft noch nicht eingenommen Grenzräumen am Grünen Band, des ehemaligen eisernen Vorhangs, noch größere Ausdehnungen, und sie sind wahre Blumengärten. Schon im zeitigen Frühjahr, wenn die Heiden noch braun und winterlich aussehen, kann man auf manchen Trockenrasen die dunkelblauen Blüten der immer seltener werdenden Wiesenküchenschelle antreffen (Bild 3). Die ist natürlich jetzt bereits längst verblüht, aber dafür sind eine Fülle anderer Arten an ihre Stelle getreten. Manche sind auf trockeneren Wiesen weit verbreitet wie die weißblütige Schafgarbe (Bild 4), die Wiesenskabiose mit himmelblauen Blüten (Bild 5) oder der Wundklee mit seinen haarigen Blütenständen (Bild 6). Noch haariger ist ein anderer Schmetterlingsblüher, so dass man seine Blütenstände mit winzigen Hasenpfoten verglichen hat, nämlich der Hasenklee (Bild 7). Wieder ein anderer, die Hauhechel (Bild 8) besitzt Drüsenhaare, so dass sich die ganze Pflanze etwas klebrig anfühlt.

Bild 5
Bild 6
Bild 7
Bild 8

Besonders charakteristisch für die Trockenrasen sind aber die echten Steppenarten wie der rotstengelige Feldbeifuß (Bild 9), die Sandstrohblume (Bild 10) oder die Sandgrasnelke (Bild 11). Während viele der Trockenrasen auch auf den kalkhaltigen Dünensanden der Nordseeinseln vorkommen, wird man diese beiden Arten dort vergeblich suchen, da ihnen das milde Küstenklima nicht zusagt.

Bild 9
Bild 10

Und schließlich sollen auch noch solche Arten Erwähnung finden, die sich eher auf offenen, besonders ärmlichen Stellen einfinden, wie das Bruchraut (Bild 12), das Sandglöckchen, dem man nicht gleich ansieht, dass es eine Glockenblume ist (Bild 13 & 14), und nicht zuletzt auch die verschiedenen Fetthennen, die mit ihren sukkulenten Blätter Wasser speichern können (Bild 15).

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Bild 12
Bild 13
Bild 14
Bild 15
Bild 16

So niedrig, wie die Trockenrasen wachsen, bieten sie dennoch einer Fülle von Tieren Deckung und Nahrung. Dass sich in solch offenen Landschaften Sonnenanbeter wie die Zauneidechsen einfinden (auch Bild 15), versteht sich von selbst. Lerchen singen am Himmel (Bild 16) und stürzen sich dann wieder in’s Gras, um ein Würmchen zu erbeuten (Bild 17). Und immer wieder verblüffend ist, wie gut man einen Hasen übersehen kann. Das wissen die genau und fliehen vor irgendwelchen Feinden (zu denen wir ja auch gehören) erst im allerletzten Moment (Bild 18), um bei ihrer Flucht das Überraschungsmoment auf ihrer Seite zu haben. Bis man sich von dem Schreck erholt hat, ist der Hase längst über alle Berge.

Bild 17
Bild 18
Bild 19

Und so könnte Alles so schön sein, wäre da nicht das Jakobskreuzkraut, oder? Das Jakobskreuzkraut (Bild 19) kennt inzwischen wohl jeder, und sei es nur, weil er Andere darüber hat klagen hören. Was hat es aber wirklich mit diesem Kraut auf sich? Zunächst einmal ist es eine einheimische Art, die auf den Trockenrasen zu Hause ist, und keinesfalls ein invasiver Exot, wie inzwischen gerne mal behauptet wird. Während aber die meisten anderen Trockenrasenpflanzen kleinwüchsig sind, ist das Jakobskreuzkraut recht stattlich. Wie alle stattlichen Gewächse benötigt auch das Jakobskreuzkraut deutlich mehr Nährstoffe als die zwergwüchsigen, genügsamen Arten.

Und Nährstoffe gibt es ja inzwischen im Übermaß in unserer Landschaft, nicht nur auf den Äckern, sondern auch in Heiden, Mooren und Trockenrasen, wohin sie mit Güllenebel oder Düngerstaub vom Wind verdriftet werden. Dadurch konnte sich nun das Jakobskreuzkraut, ursprünglich ein eher selteneres Kraut, massenhaft ausbreiten und riesige Bestände bilden. Das sieht zur Blütezeit durchaus sehr schön aus (Bild 20). Wo also ist das Problem?

Das Problem ist, dass eine so kräftige Pflanze in so üppigen Beständen leicht die schwachwüchsigere Nachbarschaft verdrängen und damit die ohnehin anhaltenden Artenverluste anheizen kann.

Bild 20

Nur ist es eben leider so, dass irgendwelche Bekämpfungsmaßnahmen auch immer die bedrohte Nachbarschaft in Mitleidenschaft ziehen. Ohnehin ist ja nicht das Jakobskreuzkraut – wie so viele andere übel beleumundete Gewächse auch  – der eigentliche Bösewicht, sondern eine bedenkenlose agierende Agrarindustrie, die viele althergebrachte Gleichgewichte in’s Rutschen gebracht hat, und die keiner unserer hohen Herren in die Schranken weisen mag. Allerdings erzürnen sich die Gemüter weniger wegen solcher naturschutzrelevanter Zusammenhänge, sondern weil das Jakobskreuzkraut giftig ist und vor allem Pferden schlecht bekommt. Frisch auf der Weide ist das kein Problem, weil das Kraut auch stark duftet und Pferde es dann erkennen und meiden können. Aber im Heu verliert es seinen Duft, wird mitgefressen, und dann sterben die Pferde. Natürlich könnte man Rauhheu für Pferde viel besser auf Feuchtwiesen gewinnen, wo das Jakobskreuzkraut gar nicht vorkommt. Dazu hätte man solche Feuchtwiesen aber in ausreichender Menge erhalten müssen und nicht bis auf verschwindende Reste umbrechen.

Wie dem auch sei, es gibt auch Gewinner. Ein kleiner Schmetterling, der bereits auf der Roten Liste stand, hat sich mit seiner Futterpflanze wieder erfreulich vermehrt, und zwar der Blutbär, dessen schwarz-gelb geringelte Raupen in Scharen über das Jakobskreuzkraut herfallen (Bild 21). Inzwischen haben sich unter diesem Einfluss Zyklen entwickelt: Immer, wenn das Jakobskreuzkraut allzu häufig wird, vermehrt sich auch der Blutbär und begrenzt so seine Futterpflanze in ihrer Ausbreitung. Und so wird das Jakobskreuzkraut wohl kaum ganze Landstriche überwuchern, wie immer so gerne gesagt wird.
Dr. Heinz Klöser

Bild 21


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