BUND Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland


März – Ein Frühlingssalat

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Klar: Die Fröste sind noch nicht vorbei; dennoch wärmt die Sonne wieder, und es liegt Frühling in der Luft. Die ersten Blätter und Blüten kommen aus dem Boden. Alle lieben den März. In unserer heutigen vollversorgten Zeit ahnt man dabei gar nicht mehr, daß gerade der Vorfrühling in früheren Epochen die Jahreszeit war, in der es den Menschen am schlechtesten ging. Viele Wintervorräte neigten sich dem Ende zu oder waren bereits aufgebraucht; was verderben konnte, verdarb jetzt; vieles war jetzt verschrumpelt, vertrocknet, ungenießbar. Und an Aussäen – geschweige denn ernten – war noch lange nicht zu denken. In vergangenen Jahrhunderten, als man nicht mal eben ein paar Apfelsinen vom Laden um die Ecke holen konnte, waren Mangelkrankheiten in dieser Jahreszeit eher die Regel als die Ausnahme. Wohl dem, der wusste, was man in Wald und Wiese bereits essen konnte.

Noch heute erinnert das Scharbockskraut (Bild 1) an diese Verhältnisse. Scharbock ist ein alter Name für Skorbut, der damals keineswegs nur bei Seeleuten auf ihren langen Reisen ausbrach, sondern auch bei den armen Bauern, deren Winternahrung im Wesentlichen aus Brot, Graupen und Grütze bestand. Das erste frische Grün, das man sammeln konnte, um wieder an Vitamine zu kommen, war das Scharbockskraut. Das war zwar mühsam, aber dafür konnte man die kleinen Blätter auch einfach herunterschlucken, ohne sie erst mit durch Skorbut wackelig gewordenen, vom Ausfallen bedrohten Zähnen kauen zu müssen. Man musste lediglich darauf achten, daß man die Blätter vor dem Aufblühen der Pflanzen sammelte, denn die blühende Pflanze beginnt, giftige Inhaltstoffe zu entwickeln. Aber bis dahin sollten Zähne, Zahnfleisch und Vitaminhaushalt ohnehin längst wieder saniert gewesen sein. Einen treffenderen Namen hätte man wahrlich der Pflanze nicht geben können. Natürlich kann man das Scharbockskraut, das überall an feuchten Stellen in Wäldern und Gebüschen wächst (Bild 2), immer noch sammeln, aber das ist heutzutage eher etwas für Kenner und Gourmets.

Bild 2

Und nicht nur das, auch das frische Laub verschiedener Bäume lässt sich ohne weiteres in einen leckeren Frühlingssalat verwandeln. Zum Beispiel die Buche: Frisch ausgetriebene Blätter sind zart und wohlschmeckend, und zwar so lange, wie das Laub noch hell gelblich grün ist und weiße Härchen am Blattrand besitzt (Bild 3). Diese Phase ist schnell vorbei, doch treiben Buchen sehr unregelmäßig aus. Manche kommen jetzt schon, während andere noch kahl und winterlich grau bleiben (Bild 4). Dies ist eine Anpassung an unsere wechselhaften Witterungen. In lang anhaltenden Frösten sind die Spätaustreiber im Vorteil, in Jahren mit früher Wärme jedoch sind die Frühen den anderen längst davon gewachsen. Für unsere Küche bedeutet das aber, daß wir mehrere Wochen lang immer wieder Buchenlaub sammeln können.

Bild 3
Bild 4

Noch eher als die Buchen ergrünen oft die Spitzahorne (Bild 5), doch sind das zunächst nicht die Blätter, sondern die eigentümlich grünen Blütenbüschel (Bild 6), die den Spitzahornen ihre belaubt wirkende Krone verleihen. Die tatsächlichen Blätter (Bild 7) kommen erst kurze Zeit später, doch auch die kann man dann gut unserem Frühlingssalat beifügen.

Bild 5
Bild 6
Bild 7

Ebenso früh entfaltet sich das Laub der Weißdorne (Bild 8), allerdings sind seine Blätter und Blüten eher für Tee als für einen Salat geeignet. Die Linden (Bild 9)hingegen kann man für beides nutzen. Allerdings muß man da wohl doch noch etwas warten.

Bild 8
Bild 9

Unter den Kräutern, die wir jetzt schon sammeln können, finden wir bereits ein Gartenunkraut, nämlich die Vogelmiere (Bild 10). Sie kommt gerne auf satter, nackter Gartenerde vor, und wenn man schlau ist, lässt man sie auch stehen, sobald die Nutzpflanzen groß genug geworden sind, daß die niedrig bleibende Vogelmiere keine Konkurrenz mehr darstellt. Ihre Matten erhalten die Bodengare, und man kann sich das Mulchen sparen. Und das ist besonders auf dem Kartoffelbeet eine gute Idee.  So früh im Jahr wie jetzt würde sie jedoch die Aussaaten überwuchern, und wenn man sie denn ausrupft, kann man sie auch essen.

Bild 10

Ein letztes – und allgegenwärtiges – Salatkraut sei noch erwähnt, das man nicht in allzu großen Mengen einmischen sollte, weil es nämlich eher eine wichtige Heilpflanze ist, bei der es auf die Dosis ankommt: Der Gundermann. Auch sein Name sagt bereits aus, wozu die Pflanze mit den schönen blauen Blüten gut ist. Bei unseren germanischen Altvorderen war „Gund“ ein Wort für Eiter und Wundausfluss; dem entsprechend kann Gundermann in der Wundbehandlung von Kundigen benutzt werden. In kleinen Mengen in den Salat gemischt, ist er jedoch durchaus schmackhaft.
Wir sehen also: Verhungern ist gar nicht so einfach, selbst in dieser Zeit, wo uns unsere Nutzpflanzen im Stich lassen. Später im Jahr werden alle diese Wildpflanzen, die uns jetzt einen frischen Salat bieten, bitter oder faserig oder holzig, aber dann haben sie ihren Dienst ja auch getan. Später im Jahr können wir schließlich wieder in den Garten gehen und uns dort Salat und Gemüse holen. Aber im März sind sie zart und lecker. Und natürlich bieten sich auch später bis in den Herbst hinein viele andere Pflanzen an, die zum Naschen einladen.
Hmmm…
Dr. Heinz Klöser

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Quelle: http://archiv.bund-herzogtum-lauenburg.de/projekte/monatsbeobachtungen/2013/maerz_ein_fruehlingssalat/