Februar – Wintervögel auf den Seen

Noch immer ist Winter, und wenn der Himmel nicht gerade herunter fällt, dann ist er voll mit den V-förmigen Flugformationen der winterlichen Gänse (Bild 1, rechts). Mein Großvater pflegte dann immer zu sagen: „Die Schneegänse fliegen“ – und als ich alt genug war, um selber Bücher zu lesen, war es eine herbe Erkenntnis, dass das in erster Linie Graugänse (Bild 2) waren und Schneegänse bei uns gar nicht vorkommen. Gewiss, es verfliegen sich immer wieder mal welche aus ihrer nordamerikanischen Heimat zu uns, aber die bleiben dann in den Salzwiesen der Westküste (Bild 3). Überhaupt können wir mit den Massen an Wintervögeln, die sich jetzt im Wattenmeer einfinden, nicht wirklich konkurrieren, aber wer mit offenen Augen (und Fernglas) an die Ufer unserer Seen geht, wird dennoch reich belohnt.

Bild 2
Bild 3

Natürlich ist das Erste, was einem dort ins Auge fällt, Massen von Stockenten, die wir aus dem Sommer gewohnt sind (Bild 4), aber immerhin sammeln sie sich jetzt in großen Gruppen, um gemeinsam kalte Füße zu haben (Bild 5). Auch andere Arten, die durchaus im Sommer bei uns vorkommen, sammeln sich jetzt in großen Gruppen, teilweise, weil sie sich jetzt nicht so heimlich verhalten wie zur Brutzeit, teilweise aber auch, weil sie von Artgenossen aus kälteren Regionen im Norden und Osten Verstärkung erhalten, wie es bei den Reiherenten (Bild 6) und den Tafelenten (Bild 7) der Fall ist.

Bild 4
Bild 5
Bild 6
Bild 7

Manche Arten, wie die Spießente (Bild 8) und die Schellente (Bild 9) haben ihre Hauptverbreitung ohnehin in den nordischen Ländern, und von den Scharen, die sich jetzt auf den Seen herumtreiben, bleiben nur wenige Paare zur Brut bei uns und markieren damit die Südgrenze ihres Brutgebietes. Unter diesen Arten ist auch eine Ente, die den typischen platten Entenschnabel nicht besitzt sondern einen schmalen, hohen Schnabel, dessen Kanten mit einer scharfen Zähnung versehen ist; eine Eigenschaft, die ihr den Namen Säger (Bild 10: Gänsesäger) eingebracht hat. Ein solcher Schnabel weist darauf hin, dass die Säger Fische fangen, ganz anders als die „normalen“ Enten, die entweder wie Stock- und Spießente gründelnd oder aber tauchend wie Reiher-, Tafel- und Schellente Kleintiere aus dem Schlamm am Grund der Gewässer filtern.

Bild 8
Bild 9
Bild 10

Es ist also gar nicht so einfach, reine Wintergäste, die man im Sommer vergebens bei uns sucht, in der Masse der Wintervögel auszumachen. Aber es gibt sie! Leicht anzutreffen ist bei uns zum Beispiel der Singschwan (Bild 11), dessen Brutgebiete in den nordischen Tundren und an den großen Seen Innerasiens und Sibiriens liegen. Allerdings muss man genauer hinschauen, denn auch unsere Höckerschwäne sammeln sich jetzt in großen Gruppen (Bild 12). Beide Arten sind jedoch trotz ihres völlig weißen Gefieders leicht zu unterscheiden:

Die Höckerschwäne haben – wie der Name ja sagt, auf einer schwarzen Schnabelbasis eine runden Höcker, und ihre Schnabelspitze ist kräftig orangerot, während die Singschwäne eine gelbe Schnabelbasis und eine schwarze Schnabelspitze sowie ein sehr gerades Profil aufweisen. Außerdem halten Singschwäne ihre langen Hälse gerader als die Höckerschwäne, deren als elegant empfundener gebogener Hals ja einer der Gründe war, Höckerschwäne zum beliebten Parkteichgeflügel aufsteigen zu lassen. Der andere Grund ist zweifellos, dass Höckerschwäne ihre Flügel aufplustern, wenn sie angeben wollen, etwas, dass keinem Singschwan je einfallen würde. Des Weiteren gründeln die Singschwäne gerne wie übergroße Enten (Bild 11), was Höckerschwäne nur ausnahmsweise mal tun. Die wichtigste und namengebende Eigenheit des Singschwans ist aber – wie Tiervater Brehm es ausdrückte – „die lauttönende und verhältnismäßig wohlklingende Stimme, welche man übrigens von ferner vernehmen muss, wenn man sie, wie die Isländer, mit Posaunentönen und Geigenlauten vergleichen will.“ Diese Klänge sind von den Dichtern der Romantik zu einem Symbol edlen Ablebens verklärt worden; der sterbende Schwan, der unter wehmütigen Klagelauten dahin scheidet… - doch auch hier kommentierte der alte Brehm nüchtern: „Eigentliche Lieder hat auch der sterbende Schwan nicht mehr; aber sein letztes Aufröcheln ist klangvoll wie jeder Ton, den er von sich gibt.“

Bild 11
Bild 12

Manche der Wintervögel an unseren Seen sind auch Besucher von den nahen Küsten, wie zum Beispiel die Nonnengans (Bild 13), die sich als arktischer Vogel gleichwohl seit einigen Jahren auch zur Brut erst in den schwedischen Schären und danach auch an unseren Küsten eingefunden hat. In den Zeiten der „political correctness“ hat man ihren Namen geändert in Weißwangengans. Da die Nonnengans ein komplett weißes Gesicht hat und nicht bloß eine weiße Wange wie die nahe verwandte und auch bei uns inzwischen heimische Kanadagans (Bild 14), ist dieser Name nicht wirklich passend und eher geeignet, bei weniger Kundigen für Verwirrung zu sorgen. Und überhaupt: Mit ihren weißen Gesichtern und schwarzen Kapuzen erinnern Nonnengänse im Aussehen  ja tatsächlich an die frommen Damen; aber das heißt ja noch lange nicht, dass deswegen Nonnen Gänse sind. Weshalb also einen guten, alten Namen abschaffen?

Bild 13
Bild 14

Wie auch immer, zwischen all den Enten und Gänsen sollte man nicht übersehen, dass auch andere Vögel unsere winterliche Seen bevölkern, wie die Lachmöve (Bild 15), die jetzt im Winter nicht mehr ihre schokoladefarbene Kopfmaske trägt, sondern ein marmoriertes Weiß, so dass man beinahe glauben könnte, eine andere Art vor sich zu haben als im Sommer.
So wie immer sehen hingegen die Blässhühner aus, nach ihrer bleichen Knochenplatte auf der Stirn benannt. Im Plattdeutschen heißen sie Zappen, und davon leitet sich der Ausdruck „zappenduster“ ab, den viele als Beschreibung einer wirklich finsteren Situation kennen. dass dieser Ausdruck ähnlich wie das hochdeutsche „kohlrabenschwarz“ einfach nur auf einen schwarzen Vogel zurückgeht, wissen jedoch nicht so viele. Die Blässhühner gehören zu den Rallen und haben keine vollwertigen Paddelfüße wie Enten (Bild 4) und Möven, sondern lediglich Seitenlappen an langen Zehen, die ihnen ein Laufen auf nachgiebigem Schlamm und schwimmenden Wasserpflanzen ermöglichen (Bild 16).

Bild 15
Bild 16
Bild 18

Auch die Blässhühner sammeln sich in großen Scharen auf unseren Seen (Bild 17). Da sie mit ihren seltsamen Füßen aber langsamer als andere Wasservögel auf dem Wasser voran kommen und auch nur recht schwerfällig auffliegen, macht sie das zu einer leichten Beute für Greifvögel. Und so stellen die Blässhühner insbesondere in Perioden, da die Seen streckenweiße zufrieren, für die Seeadler (Bild 18), denen dann der Zugang zu Fischen verwehrt ist, die winterliche Hauptnahrung dar. Und derart tragen die oft mit schnöder Nichtachtung gestraften Blässhuhner wesentlich dazu bei, dass uns der Stolz unserer Seen erhalten bleibt.

Bild 17


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