Zunächst einmal muss man sich klarmachen, dass die Steppen sich durchaus bis nach Mitteleuropa hinein ausdehnen, und zwar in Form inselartiger Vorposten, die man in südlicheren Teilen Deutschlands als blumenbunte, orchideenreiche Kalktrockenrasen kennt. Nun sind Kalkfelsen im Norden eher selten, wenn man mal von Rügen und Mön absieht, und so kommen viele der Pflanzen, die auf solchen Standorten wachsen, hier nicht vor – es sei denn, ihre Samen fallen in’s Wasser der vorbei strömenden Flüsse, die die Kalkgebirge durchbrechen.
Dann nimmt das Wasser sie mit, und irgendwo flussabwärts, und manchmal ziemlich weit flussabwärts bei uns, werden diese Samen dann angespült und können auskeimen. Nun sind die Lebensbedingungen auf einem trockenen Felsen sicher nicht dieselben wie an einem nassen Flussufer, und damit stellt sich die zweite Frage; nämlich, wieso eine Pflanze trockener Standorte auf einmal in Flussauen zurecht kommt.
Das geht, weil die für uns so eintönig aussehenden Sandbänke (Bild 3) recht unterschiedliche Standorte bieten. Am wasserdurchtränkten Ufer ist natürlich nass, klar, aber nur wenige Dezimeter darüber ist der Sand, der kaum Wasser binden kann, trocken und von der Sonne ausgedörrt. Und genau hier finden Steppenpflanzen weitab ihrer ursprünglichen Heimat eine Bleibe. Dies gilt nicht nur für den Wiesenalant, sondern auch für eine ganze Reihe anderer solcher Arten, zum Beispiel dem Mannstreu (Bild 4), der ganz nah mit der Stranddistel der Küstendünen verwandt ist, dem Flohkraut (Bild 5), dem Schillergras (Bild 6) oder dem Sandwegerich (Bild 7), der mit seinem aufrechten Stiel so gar nicht dem Bild der rosetten-wüchsigen Wegeriche entspricht, die wir so kennen.
Wenn sich aus der Sandbank eine richtige Insel entwickelt, die sich mit einer geschlossenen Vegetation bedeckt, bleiben solche Inseln in ihrem Inneren mitunter noch lange offen und geben niedrigen Trockenrasen eine Chance, wie man es auf den lang gezogenen Sandinseln unterhalb von Hamburg noch sehen kann (Bilder 8 & 9). Während der Wiesenalant an offene Sandflächen gebunden ist, bleiben die anderen genannten Arten auch dann als Bestandteil solcher Rasen erhalten. Dabei ist sicher hilfreich, dass der Sand, den die Elbe aufspült, als Sediment aus dem Binnenland mit einem gewissen Quantum Kalk vermischt ist und nichts mit den armen eiszeitlichen Sanden zu tun hat, die man sonst so im Norden findet.
Während und kurz nach der Eiszeit, als keine höhere Vegetation dem Einhalt gebieten konnte, haben die Winde den Sand aus den Sandbänken oft auch zu hohen Wanderdünen aufgeschichtet, die die Flussauen begleiten und so mächtig wurden, dass sie heute noch vom Wald nur schwer oder gar nicht besiedelt werden können, wie zum Beispiel in den Besenhorster Sandbergen (Bild 10). An solchen Orten stellt man immer wieder mal fest, dass der Transport von Samen nicht immer nur flussabwärts gerichtet ist.