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September – Zeit der Molche

Zeit der Molche? Im September? An Amphibien denkt man jetzt eigentlich weniger, oder? Die gehören doch in’s Frühjahr, wenn Fernsehberichte und Naturzeitschriften ständig davon erzählen, dass Frösche und Kröten sich in Teichen und Tümpeln ansammeln, um sich zu paaren (Bild 1). Danach zieht es höchstens noch neugierige Kinder an die Teiche (es soll ja noch welche geben, die das tun!), wo sie die Massen an Laich finden (Bild 2), und mitunter tun sie das, was wir als Kinder auch getan haben: Ein wenig davon mitzunehmen, um verfolgen zu können, wie aus dem Laich Kaulquappen schlüpfen (Bild 3), die sich dann über Wochen nach und nach in erkennbare Frösche und Kröten verwandeln.

Bild 1
Bild 2
Bild 3
Bild 5

Spätestens danach aber wird es still um Kröten und Frösche. Die Kröten verziehen sich in schattige Winkel (Bild 4) und führen fortan ein heimliches, meist nächtliches Leben, während die Grasfrösche ihrem Namen Ehre tun und über’s Gras hüpfen – sogar am Tag (Bild 5). Nur die dicken Wasserfrösche bleiben im Teich und erfreuen/nerven (je nach Temperament…) die Welt mit ihrem Gequake (Bild 6). Kommt dann der Herbst, ist schließlich Ruhe.

Bild 4
Bild 6
Bild 7

Wieso ist dann der September die Zeit der Molche?
Die Antwort ist: Jetzt erst kommen die Molche an Land. Wenn sie im Frühjahr in einen Teich gezogen sind, der im Sommer austrocknet, haben sie das natürlich schon viel früher getan. Wenn sie aber nicht müssen, bleiben sie den ganzen Sommer im Teich, wo es an Asseln, Egeln, Würmern, Schnecken, Wasserwanzen und anderem, was man vertilgen kann, nur so wimmelt. Das ist vielleicht ein bisschen verwunderlich, denn oberflächlich gleichen sie ja mit ihren vier Beinen und dem langem Schwanz den Eidechsen. Tatsächlich sind Eidechsen jedoch viel weiter entwickelt. Molche sind mit Eidechsen auch nicht näher verwandt als wir mit den Eidechsen. Ein wesentlicher Vorteil, den Eidechsen haben, ist ihre schuppige, hornige Haut, die die Tiere vor der Austrocknung schützt (Bild 7). Amphibien haben so etwas noch nicht, sondern bedecken ihre empfindliche Haut mit einem feuchten Schleim, ein nur ungenügender Schutz an heißen Sommertagen. Frösche und Kröten sind behende genug, dass sie mit ein paar kräftigen Sprüngen die nächste feuchte Deckung erreichen können, wenn sie mal in die Sonne geraten. Molche hingegen sind da doch etwas behäbiger, so dass eine längere Strecke durch die Sonne schnell einmal zur tödlichen Falle werden kann. Auch aus diesem Grund ist es besser, im Wasser zu bleiben und erst jetzt, wo die Tage allmählich kühler werden, heraus zu kommen.

Wäre es dann aber nicht besser, gleich ganz im Wasser zu bleiben wie die Fische? Und statt der Beine vernünftige Flossen zu haben? Die Antwort ist nein, und zwar deshalb, weil Fische und Molche ganz unterschiedliche Lebensräume haben. Fische leben in größeren Gewässern wie Flüssen und Seen, die über das Jahr relativ gleichmäßige Bedingungen aufweisen, während Molche, wie auch alle anderen Amphibien, Spezialisten für Kleingewässer mit stark wechselnden Lebensbedingungen sind. Ihre Gewässer können im Sommer verdunsten und im Winter komplett durchfrieren. In diesen Fällen müssen die Molche an Land gehen, und deshalb tun sie das jetzt auch, um Winterquartiere abseits ihrer Heimatteiche zu suchen. Die Nachteile eines so wechselhaften Lebensraums garantieren aber auch einen gewaltigen Vorteil: Fische halten natürlich nicht aus, wenn der Teich verschwindet oder zu Eis erstarrt;  und da Fische die stärksten Konkurrenten und meist auch die gefährlichsten Fressfeinde der Molche sind, zahlt es sich aus, die ständigen Umzüge auf sich zu nehmen. Die Molche passen sich sogar körperlich an ihren Lebensraumwechsel an: Solange sie im Wasser leben, tragen Rücken und Schwanz einen Flossensaum (Bild 8 – Teichmolch), den sie an Land verlieren, weil er im Bemühen, feuchte Ritzen zu finden, nur hinderlich wäre (Bild 9 – Kammolch). Die Beine hingegen sind an Land genauso nützlich wie im Wasser. Die kleinen Tümpel besitzen ja in der Regel einen starken Krautwuchs, durch den Fische sich mitunter nur mühsam oder gar nicht schlängeln könnten. Mit Beinen kann man sich hingegen bestens voran ziehen.

Bild 8
Bild 9

Auf dem Weg über Land in’s Winterquartier drohen den Molchen natürlich vielerlei Gefahren. Nicht die geringste davon sind unsere Kellerfenster. Molche folgen der kühlen Luft und fallen in die Fensterschächte. Dort können sie dann nicht wieder hinauf, so dass der einzige Ausweg weiter in den Keller hinein führt, wo sie jämmerlich vertrocknen. Dieser erbärmliche Tod ist aber den Tieren leicht zu ersparen. Man muß nur die Fenstergitter mit Fliegengaze überspannen, und schon ist die Gefahr gebannt.

Doch auch im Sommer erwartet die Molche Unbill durch unbedachtes Handeln. Molche siedeln sich gerne auch in unseren Gartenteichen an. Die aber traktieren wir mit irgendwelchen Chemikalien, um Algenwachstum zu verhindern. Außerdem widerstehen nur wenige Teichbesitzer der Versuchung, Fische einzusetzen, die dann Jagd auf Molche und deren Laich machen. Auch dazu ein Vorschlag: Wenn es denn unbedingt sein muss – lassen sie die Finger von Goldfisch, Koi und Co., sondern nehmen sie Moderlieschen, die im Tierhandel leicht zu bekommen sind (Bild 10). Diese kleinen, blausilbrigen Fische sind die einzigen, die die Molche in Ruhe lassen. Statt dessen fressen sie Algen und Mückenlarven, so dass man die Chemie vergessen kann, und sie fangen auch Mücken aus der Luft. Dazu stehen sie gerne ganz flach unter der Wasseroberfläche, so dass man sie auch gut zu sehen bekommt (Bild 11). Das ist doch was!

Bild 10
Bild 11

Man soll sich auch von dem Namen, der anzudeuten scheint, dass die Fische in stinkenden, modrigen Sümpfen zu Hause sind, nicht täuschen lassen. Tatsächlich stammt der Name aus dem Plattdeutschen und lautete ursprünglich Mudderloseken – die Mutterlosen.
Moderlieschen nämlich sind gut in der Lage, in Kleingewässern zu leben, doch sterben sie unweigerlich, wenn die Gewässer austrocknen oder durchfrieren, so dass sie Teiche und Tümpel jedes mal wieder neu besiedeln müssen. Dazu legen sie Laichschnüre, die gut haften, und so werden die Eier immer wieder von Wasservögeln in Teiche verschleppt, in denen vorher keine Fische vorkamen, und damit auch keine Muttertiere für die Fische, die sich da plötzlich im Teich tummelten. Deshalb die Mutterlosen.
Dr. Heinz Klöser

Quelle: http://archiv.bund-herzogtum-lauenburg.de/projekte/monatsbeobachtungen/2012/september_zeit_der_molche/