März: Der Huflattich – Vorfrühlingssterne

Bild 1

Endlich März. Die Sonne scheint wärmer, und durch die noch kahlen Wälder weht ein erster Hauch von Frühling. Lerchensporn, Leberblümchen und Buschwindröschen kämpfen sich mit ihren Blüten durch die Laubstreu – und schon ist alles gar nicht mehr so schlimm. Alle lieben diese kleinen Frühlingsboten! Und doch wird in diesem Reigen gerne übersehen, daß es eine frühe Blume gibt, die noch zeitiger aus dem Boden kommt. Ihre Blüten sind plötzlich einfach da, kein Blatt weit und breit, nur diese unglaublich strahlenden Sterne in klarem Gelb, die auf dicken, rötlichen Stengeln aus dem Boden ragen (Bild 1). Vielleicht wird sie deshalb mit Mißachtung gestraft, weil sie an Orten wächst, die selber nicht allzu attraktiv sind: Wegränder, Industrieödland, frisch umgewühltes Bauland und andere Lokalitäten, die man eher als Wunden in der Landschaft betrachten muß. Dabei ist es ein echtes Verdienst dieser Vorfrühlingssterne, gerade solchen häßlichen Stellen ein bißchen bescheidene Pracht zu verleihen.

Bild 2

Die Rede ist vom Huflattich, von vielen als lästiges Unkraut verachtet, manch einem aber auch als altehrwürdige Heilpflanze bekannt, die schon seit zweieinhalbtausend Jahren gegen Husten und andere Erkrankungen der Atemwege angewendet wird. Dazu werden die Blüten gesammelt, kaum daß sie dem eben noch winterlichen Boden entsprossen sind. Neuere Untersuchungen haben die Wirksamkeit des Huflattichs als Heilpflanze bestätigt, aber auch enthüllt, daß der Huflattich Stoffe enthält, die durchaus krebserregend sein können. Weniger schön. Dann lieber doch nicht sammeln? Mal abgesehen davon, daß die Blütensammler anderen, die sich an den Blüten des Huflattichs erfreuen wollten, die Freude nehmen, ist die extrem frühe Huflattichblüte eine unverzichtbare Nahrungsquelle für die ersten Schmetterlinge, die uns im Frühling aufmerken lassen, darunter auch Arten, die bedroht sind. Schon deshalb sollte man lieber eine der vielen anderen Pflanzen, mt denen man Husten bekämpfen kann, bevorzugen und den Huflattich stehen lassen. Und was das Unkraut angeht: Eigentlich ist er eine Pionierpflanze, deren Samen aus pusteblumenartigen Fruchtständen (Bild 2) auf weite Reisen mit dem Wind gehen und sich auch auf extrem schwierigen Böden anzusiedeln vermögen. Um sich dort zu behaupten, sendet er bis 2 Meter lange Wurzelausläufer aus. Mit dieser Wuchskraft kann er sogar die Kreidekliffs von Mön und Rügen erobern (Bild 3). 

In einem treudeutsch ordentlichen Garten jedoch ist so etwas eher nicht erwünscht. Aber gemach! In einem Rasen ist er schnell wieder verschwunden, da er häufiges Mähen nicht erträgt, und wenn höhere Pflanzen ihn überwachsen, ist er der Konkurrenz auch nicht gewachsen. Worüber sich also aufregen? Wenn er sich im Garten einfindet, warum nicht einfach Astern oder andere hochwachsende Sommerstauden dazwischen pflanzen? Dann kann man seine wunderbaren Strahlenkranzblüten genießen, und später sieht man gar nicht mehr, daß unter den Zierblumen die filzigen, runden Blätter des Huflattich stehen. Dabei können auch die Blätter des Huflattich von Nutzen sein. Weichhaarig und groß, wie sie sind (Bild 4), haben sie schon so manchem, der abseits der ausgetretenen Pfade in Nöte gerieht, Hilfe geleistet, was ihm den Spitznamen „Wanderers Klopapier“ eingebracht hat. Aber so genau wollen wir das gar nicht wissen. Unbestritten ist: Der Huflattich bringt eine frühe und unerwartete Blütenpracht an genau solche schäbigen Orte, wo wir das nun überhaupt nicht erwarten. Und das ist doch wirklich ein Verdienst!
Dr. Heinz Klöser

Bild 3
Bild4


Ihre Spende hilft.

Suche