Es gibt aber nicht nur Pflanzen im Moor, sondern auch Tiere. Am auffälligsten sind wohl die Libellen, Vertreter einer uralten Verwandtschaft, die schon durch die Lüfte von Sumpfwäldern schwirrte, als noch nichts darauf hindeutete, daß es einmal so etwas wie Dinosaurier geben würde. Die Dinosaurier sind längst ausgestorben, die Libellen aber gibt es immer noch und erfreuen uns heute als fliegende Edelsteine (Bild 9). Umso weniger beliebt sind diejenigen, die sie aus der Luft fangen. Gemeint sind die Spinnen, denen wir mit unserer tief sitzenden Abneigung Unrecht tun; ohne die Spinnen würden wir schlicht vor allerlei Ungeziefer kapitulieren müssen, das aber dankenswerterweise in ihren Netzen hängen bleibt. Eine ihrer Arten, die hell gefärbte Moorkreuzspinne (Bild 10), weist erneut in den Osten. Für uns ein Tier der Moore, liegt ihre Hauptverbreitung in den weiten Steppen Eurasiens bis in die Mongolei hinein. Es fällt zunächst schwer, die Verbindung unserer nassen Moore mit dem solchen Trockengebieten zu finden. Doch bieten Moore oberhalb des nassen Bodens in der Tat ein Mikroklima, das geringere Luftfeuchtigkeit, stärkere Sonneneinstrahlung und höhere Temperaturschwankungen als umliegende Wälder bieten, genau der Unterschied, der auch die Wälder von den Steppen scheidet.
Bei all diesen Skurilitäten und Besonderheiten ist es blamabel, dass wir so wenig auf unsere Moore Acht gegeben haben. Sie wurden urbar gemacht, ihr Torf abgebaut, sogar heute noch, wie die Pläne, im mecklenburgischen Teil der Schaalseeregion ein weiteres Kiefernwaldmoor abzutorfen, zeigen. Und was machen wir mit dem Torf, dessen Abbau das Moor irreversibel zerstört und damit auch den Lebensraum des Sumpfporstes und seiner Begleiter vernichtet? Wir versuchen damit die großen Gartenrhododendren auf Böden durchzubringen, für die sie nicht geeignet sind, denn sie vertragen keinen Kalk. Die Gärtner sprechen von Moorbeetpflanzen, aber das ist grundfalsch. Der wirkliche Lebensraum der großen Rhododendronarten sind Bergwälder und Bergmatten, und zwar auf mineralischen, aber eben kalkfreien Böden. Absurder könnte die Situation kaum sein: Um Rhododendren im Garten zu pflegen, vernichten wir die Vorkommen eines anderen Rhododendrons, eben des Sumpfporstes, und das, obwohl seine großen Verwandten nicht einmal Moorverhältnisse mögen. Dies ist ein schlechter Witz – mögen die Gartenpflanzen auch noch so schön sein.
Warum aber ist der Sumpfporst solch eine Kostbarkeit, die wir nicht gegen exotische Arten eintauschen sollten, wenn er nur einer von vielen Arten und unter diesen ein eher unscheinbarer Vertreter ist? Die Antwort wurde schon dem kleinen Prinzen gegeben, als er darum trauerte, dass seine Rose nur klein und unscheinbar unter den vielen anderen Rosen auf der Welt war. Sie lautete: Es war eben seine Rose, die zu ihm gehörte, und das machte sie zu etwas ganz Besonderem. Und so ist es auch mit unserem Sumpfporst: Er ist eben unser kleiner, bescheidener Rhododendron, und keine Pracht der Welt kann darüber hinweg täuschen, daß er zu uns und unserer Landschaft gehört, und das macht auch ihn zu etwas ganz Besonderem.
Dr. Heinz Klöser