Februar: Efeu – ein Hauch von Tropen

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Merkwürdiger Gedanke, so mitten im regennassen, klammkalten, norddeutschen  Schmuddelwinter. Aber es stimmt, mitten zwischen all diesen braunen, grauen, fahlen Farben eines schneelosen Winters prangt der Efeu mit seinem unverwüstlichen Grün und erinnert zwischen all den kahlen Bäumen an üppigere, wärmere Gefilde. Der Efeu ist als Vertreter der Araliengewächse tatsächlich ein Kind der Tropen. In unseren Norden hat es ihn lange vor der Eiszeit verschlagen, als unsere Breiten noch von immergrünen Lorbeerwäldern bedeckt waren, die Elefanten und Nashörner beherbergten. Wie bei vielen Pflanzen aus regenreichen, warmen Wäldern tragen auch die Blätter des Efeus Träufelspitzen, um ein Übermaß an Regen und Nebelnässe ableiten zu können (Bild 1). Selbst seine gesamte Wuchsform lässt an Tropenwälder denken, ist er doch eine der wenigen Lianen, die in unseren Wäldern vorkommen. Er kann bis in die höchsten Baumwipfel hinaufklimmen (Bilder 2 & 3) und dabei ein Alter von rund 450 Jahren erreichen. Bei solch alten Exemplaren können sich beeindruckende, oberschenkeldicke Stämme entwickeln (Bild 4) – wenn man es denn zulässt.

Denn immer wieder beobachtet man die Unsitte, Efeustämme zu kappen. Welcher Schlaumeier das Gerücht in Umlauf gebracht hat, dass Efeu die Bäume, die er umspinnt, nach und nach umbringt, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Blödsinn ist es dennoch. Wahr ist natürlich, dass man tote Bäume findet, auf denen üppig Efeu wächst – ein Beweis, dass er deswegen den Baum auch getötet hat, ist das indessen nicht. Tropische Würgefeigen tun das durchaus; allerdings bilden sie in der Zeit, in der sie langsam ihren Trägerbaum erdrosseln, selber einen tragfähigen Stamm aus und werden später selbst zu den größten Bäumen im Regenwald. Dem Efeu hingegen ist diese Fähigkeit nicht gegeben, und so ist dem Efeu auch nicht mit dem Tod des Baumes gedient, wird der doch allmählich morsch und bricht irgendwann zusammen, so dass sich der Efeu schließlich dort wiederfindet, wo er mal angefangen hat: Am Boden, von dem er eigentlich weg wollte (Bild 5), weil er dort nicht blühen und fruchten kann. Efeu kann zwar weite Flächen bedecken, er tut dies jedoch ausschließlich mit sogenannten Jungtrieben, die die typischen vielzipfeligen Blätter tragen (Bild 1 & 4). Mit solchen Jungtrieben wächst er auch die Baumstämme hinauf, an denen er sich mit speziellen Haftwurzeln befestigt (diese Wurzeln dienen nur dem Halt am Stamm; sie dringen nicht in die Rinde des Baumes ein - wie etwa die Wurzeln der Mistel; Efeu ist also auch kein Parasit, der dem Baum irgendetwas wegnimmt!).

Erreicht er schließlich die Baumkronen und erhält dort auch mehr Sonnenlicht, bildet er völlig neue Triebe, die schmalere, ungelappte Blätter tragen und Blüten tragen. Diese Alttriebe bilden keine Haftwurzeln und hängen deshalb oft in langen Girlanden von den Ästen herunter (Bild 6). An diesen Trieben erscheinen unscheinbare, kleine Blüten im Herbst, wenn sonst nicht mehr viel blüht, so dass dann die Ernährung einer Fülle von Bienen, Wespen und Schwebfliegen von den Efeublüten abhängt. Auch der schöne Admiralfalter (Bild 7) käme ohne den Efeu in große Bedrängnis. Die schwarzen Früchte (Bild 8) reifen im Spätwinter und Vorfrühling, wieder zu einer Zeit, in der sonst nicht viel zu finden ist. Und wieder sind zahlreiche Tiere auf den Efeu angewiesen, vor allem früchtefressende Vögel, die bei uns überwintern oder schon früh aus südlichen Winterquartieren zurückkehren. Dazu gehören Rotkehlchen und Amseln (Bild 9), aber auch Stare und Mönchsgrasmücken. Lassen wir sie also alt und groß werden, die Efeuranken. Eine Vielzahl von Tieren wird es uns danken. Und die Bäume brechen wirklich nicht zusammen, selbst wenn sie so stark von Efeu behangen sind, dass der Wald beinahe immergrün wirkt (Bild 10) und uns - mitten im Winter – einen Hauch von Tropen vermittelt.
Dr. Heinz Klöser

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