August – Der Biber, er ist wieder da

Seltsame Spuren finden sich seit ein paar Jahren an Sandbänken und Ufern der Elbe: Es sieht so aus, als hätte ein krallenbewehrtes Wesen etwas Schweres hinter sich her geschleift (Bild 1). Der Urheber solcher Spuren ist jedoch nicht leicht auszumachen. Obschon offensichtlich nicht gerade der kleinste Vertreter unserer Fauna, ist er heimlich, nächtlich, leise. Und so haben viele Menschen anfangs gar nicht bemerkt, dass er  wieder da ist: Der Biber (Bild 2).

Bild 1
Bild 2

Wirklich zu erwarten war das eigentlich nicht unbedingt. Schon seit langem ist er bei uns ausgerottet gewesen, genauso so wie in fast ganz Mittel- und Westeuropa; nur an der Rhone und an der mittleren Elbe blieben ein paar Restvorkommen erhalten, und auch denen schien keine aussichtsreiche Zukunft beschieden. Tiervater Brehm schrieb dazu: „Erzbischoff Johann Ernst von Salzburg setzte auf die Erlegung eines Bibers Galeerenstrafe, und seine Biber wurden ihm doch weggeschossen. So geht es allerorten. Die wenigen Biber, die Europa noch besitzt, nehmen von Jahr zu Jahr ab und werden sicherlich das Los ihrer Brüder teilen.“

Der Niedergang des Bibers begann im Mittelalter, als man pelzverbrämte Prachtkleider anfertigte und weichhaarige, warme Biberfellhüte schätzte. Vor allem aber ein Sekret, das sogenannte Bibergeil, das der Biber zur Reviermarkierung einsetzt, wurde für das Tier zum Verhängnis, sah man doch im Bibergeil eine Wundermedizin, die alles von Wassersucht bis Veitstanz heilen sollte. In einem speziellen Medizinbuch, der 1685 erschienen „Castorologia“ (Castor ist der lateinische Name des Bibers) finden sich über 200 Rezepte für Bibergeilmixturen! Die moderne Wissenschaft hat dann herausgefunden, dass das Bibergeil in der Tat die schmerzstillende Salizylsäure enthält. Allerdings stammt die ursprünglich aus der Weidenrinde, die der Biber mit Vorliebe frisst. Statt den Biber zu töten, hätte man genauso gut Weidenzweige kauen können…

Ebenfalls übel mitgespielt hat dem Biber die Kirche. Kirchenfürsten waren ja schon immer gut darin, Gottes Gebote in eine angenehme Lebensweise umzudeuten. Und so schrieb der Jesuit Charlevoix 1754: „Bezüglich seines Schwanzes ist er ganz Fisch, und er ist als solcher gerichtlich erklärt durch die Medizinische Fakultät in Paris, und in Verfolg dieser Erklärung hat die Theologische Fakultät entschieden, dass das Fleisch an Fastentagen gegessen werden darf.“ – Wie praktisch! Da trifft es sich gut, dass der Biber ein wohlschmeckendes Fleisch hat; weniger attraktive Nager mit schuppigem Schwanz wurden schließlich nicht zum Fisch erklärt, wie zum Beispiel die Wanderratte. Man stelle sich vor, wie viele Rattenplagen uns erspart geblieben wären, wenn die Mönche fleißig Ratten gegessen hätten…

Wie dem auch sei, der Biber trägt tatsächlich einen beschuppten Schwanz, der breit, flach und rund ist wie eine Kelle (und in der Waidmannssprache auch so heißt). Man sieht ihn aber nur gelegentlich. Gelingt es nämlich überhaupt einmal, einen Biber zu sehen, ist der meist im Wasser, und dann ist der Schwanz nicht zu sehen. Erst wenn er steil abtaucht, kommt das Hinterteil des Bibers aus dem Wasser, und dann kann man auch den Schwanz kurz sehen (Bild 3). Der klatscht dabei oft laut und vernehmlich auf die Wasseroberfläche, und das umso stärker, je eiliger der Biber zu verschwinden versucht, zum Beispiel, weil er erschreckt oder bedroht wurde. Auch wenn dieses Geräusch dabei vielleicht gar nicht ausdrücklich beabsichtigt wird, haben viele Tiere in Sümpfen und Wäldern gelernt, diesen Laut als Warnsignal zu verstehen und sich ihrerseits besser zu verdrücken.

Bild 3

Schließlich wurde der Biber gezielt eliminiert, als sich die moderne Landschaft herausbildete. Ein Tier, das sich selber als Landschaftsarchitekt betätigt, wurde von der modernen Land- und Forstwirtschaft nur als unerträglich störend empfunden. In der nutzungsoptimierten, kleinräumigen Welt des Menschen war kein Platz mehr für den Biber, der nach Gutdünken Bäume fällt und Stauteiche anlegt.

Wird der Biber in Ruhe gelassen, nagt er tatsächlich an ausgewachsenen Bäumen (Bild 4), und zwar gerne an der vom Wasser abgewandten Seite (Bild 5). Wie alle Bäume wachsen auch die an Ufern zum Licht hin, so dass sie zur offenen Gewässerseite hin in der Regel stärkere Äste und damit das höhere Gewicht haben. Dadurch fallen sie auch normalerweise zum Gewässer hin (Bild 6), so dass der Biber das zarte Laub geschützt im Wasser verzehren kann und auch die Stämme schwimmend abtransportieren kann. Die braucht er nämlich, um seine Burg zu bauen (Bild 7). Der Eingang zu dieser Burg soll immer unter Wasser bleiben, damit Raubtiere nicht eindringen können, und gleichzeitig soll die Wohnkammer immer trocken bleiben. Um das zu erreichen, ist eine feine Wasserstandsregulierung notwendig, und zu diesem Zwecke baut der Biber seine Dämme (Bild 8). Auch dafür sind die Stämme nötig. Doch manchmal klappt es nicht so, wie es soll: Es kommt durchaus vor, dass auch mal ein Biber von einem stürzenden Stamm erschlagen wird, und dass er die Fallrichtung bewusst beeinflussen kann, ist nur ein Märchen.

Bild 4
Bild 5
Bild 6
Bild 7
Bild 8

Das aufgestaute Wasser bringt nun recht rasch die Bäume in der überschwemmten Aue zum Absterben, und das sieht zunächst nach einem schlimmen Schaden aus. Aber ist es das wirklich? Tatsächlich wachsen bald Sumpf- und Wiesenpflanzen zwischen den toten Stämmen (Bild 9), so dass die Tiere des Waldes hier Nahrung finden können, die ihnen der schattige Wald nicht bietet. Und auch die toten Bäume selbst ernähren Insektenlarven aller Art, denen Spechte nachstellen, in deren verlassenen Bruthöhlen Fledermäuse und Meisen Herbergen finden… - und so weiter. Also gar nicht so übel, eigentlich. Allerdings sterben die Bäume schneller ab, als der Biber sie ernten kann, so dass ihm über kurz oder lang die eigene Nahrung ausgeht. Dann zieht er weiter und legt den nächsten Teich an. Der alte läuft dann irgendwann aus, weil der nicht mehr gepflegte Damm undicht wird und bricht. Die wieder trocken gefallene Teichfläche (Bild 10) kann sich nach und nach wieder bewalden, und alles ist wieder beim alten – bis der nächste Biber kommt, und alles von vorne beginnt.

Bild 9
Bild 10

Natürlich ist solch ein Zyklus nur möglich, wo der Biber Raum und Ruhe findet. Bei uns gräbt er seine Bauten in steilere Ufer an großen Gewässern und baut auch keine Dämme. Das macht ihn so unauffällig. Gleichwohl ist er auch so erfolgreich. Er hat längst den Hamburger Hafen durchschwommen und wurde in der Haseldorfer Marsch gesichtet, wo er den Seehunden begegnen kann, die aus der entgegengesetzten Richtung gekommen sind und dort beinahe auf der grünen Wiese liegen (Bild 11).

Bild 11

Freuen wir uns also, dass sich das Blatt gewendet hat! Doch nicht alles, was wie ein Biber aussieht, ist auch einer (Bild 12). So wurden in den achtziger Jahren oft südamerikanische Nutrias als bäuerlicher Nebenerwerb gehalten, und dann oft freigelassen, als sich die Sache nicht rechnete. Man dachte, dass sich Nutrias, die in Frankreich und Süddeutschland längst eingebürgert sind, bei uns angesichts der rauheren Winter nicht halten würden. Sie bleiben bei uns auch selten, aber gerade in diesem Jahr stellte sich ein vermeintlicher Biber als eine Nutria heraus(Bild 13), wie die Bergedorfer Zeitung berichtete. Man kann sie leicht an ihrem Schwanz erkennen, der nicht platt und breit wie beim Biber ist, sondern drehrund. Allerdings erschwert die Bestimmung, dass die Schwänze leicht im Winter abfrieren…

Bild 12
Bild13

Der Bisamratte (Bild 14) passiert das nicht so leicht, kommt sie doch ursprünglich aus unserem Klima ähnlichen Bereichen in Nordamerika. Auch sie ist leicht am Schwanz zu erkennen. Er ist als Ruderschwanz abgeflacht, aber seitlich, so dass er eine hohe Kante hat, die auch beim Schwimmen deutlich zu sehen ist (Bild 15). Die Bisamratte ist für den Biber keine Konkurrenz, leben doch beide Arten in Nordamerika (und inzwischen in ganz Eurasien auch) friedlich nebeneinander. Ökologisch ist sie auch sonst eher weniger bedenklich. Dennoch ist sie verhasst, da sie immense wirtschaftliche Schäden anrichtet, indem sie Deiche und Dämme unterhöhlt. Doch das ist ja wohl kein Naturschutzproblem.
Dr. Heinz Klöser

Bild 14
Bild 15


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