Zugegeben, man hätte im April auch von Blumen und zartem, ersten Frühlingslaub reden können, aber eigentlich geht es darum auch, besteht doch eine enge Wechselbeziehung zwischen dem jungen Austrieb der Pflanzen und den wiedererwachenden und winterhungrigen Schnecken. Gärtner hassen sie (klar…); Wanderer neben sie oft nur zur Kenntnis, wenn sie ausglitschen, weil sie d’raufgetreten sind. Der Ruf der Schnecken ist wirklich nicht gut. Aber warum eigentlich? Leckermäuler zumindest wissen die Große Weinbergschnecke zu schätzen (Bild 1), auch wenn man sich manchmal fragt, ob das, was da schmeckt, nicht bloß die knoblauchhaltige Kräuterbutter ist, die man über diese verschrumpelten Etwasse gegossen hat, die man mühsam aus den Schalen zupft. Wenig bekannt ist, daß die Große Weinbergschnecke auch bei uns im Norden vorkommt, und noch weniger, daß sie unter Naturschutz steht, da sie für Küchenzwecke so stark dezimiert wurde, daß sie den Schutz auch nötig hat.
Kleinere Gehäuseschnecken wie die Schnirkelschnecken (Bild 2) dienten schon in grauer Vorzeit der Eleganz der Steinzeitdamen, die Ketten und ähnliches aus den leeren, buntglänzenden Gehäusen herstellten. Kinder tun das heute noch (sofern sie noch draußen spielen und nicht gerade Aliens am Computer abschießen…). Mit Gehäuseschnecken könnte also man leben, auch als Gärtner, denn so groß ist der Schaden nicht, den sie anrichten, sondern durch die Vertilgung eher fauligen Pflanzenmaterials sogar von einem gewissen Nutzen. Doch kennt der Zorn des wackeren Gärtners keine Grenzen, sobald man sich den Nacktschnecken annähert. Diese Tiere sind ein echtes Erfolgskonzept. Da sie im Laub wühlen und sich im Winter in den Boden oder in morsches Totholz zurückziehen, wäre ein Gehäuse nur hinderlich, und so haben sie es im Laufe ihrer Evolution abgeschafft. Um der nun drohenden Austrocknung zu entgehen, schleimen sie sich besonders stark ein (sie tun das ja nicht, um uns anzuekeln). Und genau da liegt der Grund, warum Nacktschnecken – das wäre ja sonst eine absolute Königsweglösung für den geplagten Gärtner – es nicht zu lukullischen Höhenflügen gebracht haben. Ob sie überhaupt essbar sind, darüber rauscht eine ausufernde Diskussion durch’s Internet (wir leben ja in modernen Zeiten…).
Wer’s nicht glaubt: Einfach „Nacktschnecken“ und „essbar“ in Google eintippen, und los geht’s zwischen vergnüglich und absurd (bis hin zu einem Rezept für „Nacktschnecken auf brandenburgische Art“!). Unberührt von derlei Finessen, gibt es in der Natur durchaus Liebhaber derart gleitfähiger Kost: vor allem Kröten (Bild 3) und Igel (Bild 4), die man leicht im Garten haben kann, wenn man denn dort ein wenig Natürlichkeit zuläßt. Doch wie so oft: Der Teufel lauert im Detail. Als wir alle mal jünger an Jahren waren, waren Nacktschnecken zwar auch schon schleimig, aber dafür prächtig gefärbt – es gab je nach Gegend die Rote (Bild 5) oder die Schwarze Wegschnecke (Bild 6) oder beide durcheinander. Heute dominieren mehr oder minder braune Tiere, und das ist die Spanische Wegschnecke (Bild 7). Diese Art stammt eigentlich aus Galizien, der feuchten Nordwestecke von Spanien, und konnte mit irgendeinem Gemüsetransport ins restliche Europa entkommen, wo sie sich - dem inzwischen wärmeren Klima sei Dank – bis nach Skandinavien hinauf als konkurrenzkräftiger als die angestammten Arten erwiesen hat. Dazu beigetragen hat neben ihrer höhern Hitze- und Trockenheitstoleranz auch die im wahrsten Sinne des Wortes bittere Tatsache, daß ihr Schleim eben bitter ist. Die meisten Schneckenvertilger verschmähen deshalb nämlich diese Art. Lediglich Igel haben es inzwischen gelernt, die Schnecken so lange im Gras hin und her zu rubbeln, bis der Schleim entfernt ist. Ansonsten gibt es die Indischen Laufenten, die man sich halten kann. Diese schlauen Vögel spülen den Schleim im Wasser ab, bevor sie die Schnecken hinunter schlucken. Das dürfte die erfolgreichste Art sein, Nacktschnecken in etwas Wohlschmeckendes zu verwandeln, denn Enteneier sind wirklich lecker.
Doch auch bei den Nacktschnecken selbst können wir einen Helfer finden: eine braune, durch graue Längsstreifen und Flecken leicht kenntliche Art, die Egelschnecke (Bild 8). Sie lebt ausschließlich von Fäulnis und Pilzfäden, also völlig unschädlich, und – den Eiern anderer Schnecken. Deshalb sollte man sich enthalten, die chemische Keule heraus zu holen. Insbesondere das allseits käufliche Blaukorn ist ein Teufelszeug, das nicht nur unsere Gartentiere weit über die unerwünschten Schnecken hinaus massakriert; es wird auch gerade von Hunden mit Vorliebe gefressen, und dann sind unsere Familienlieblinge plötzlich ganz unerwartet und unerklärlich krank oder sterben sogar. Wenn man denn selber eingreifen möchte, gibt es genügend umweltfreundliche, ökologisch verträgliche Methoden. Die beste – auch weil sie den Schnecken einen letzten Rausch gönnt – dürfte immer noch die Bierfalle sein. Schnecken kommen von weit her, um sich in einen alkoholseeligen Tod zu stürzen. Ein englisches Gartenbuch, das ich gelesen habe, riet daher: „Wenn Sie Probleme mit Schnecken haben, empfehlen Sie Ihren ebenfalls geplagten Nachbarn, Bierfallen aufzustellen. Sie sind den Ärger los, und Ihre Nachbarn sind Ihnen sogar noch dankbar.“
Dr. Heinz Klöser