Prof. Dr. Felix Ekardt aus Rostock, Sprecher des BUND-Arbeitskreises Umweltethik, vertrat mit dem Auftaktreferat zu den Kultur- und Umweltwochen „Energie in der Linse“ den kurzfristig erkrankten Bundesvorsitzenden des BUND, Prof. Hubert Weiger. In dem knapp eineinhalbstündigen Vortrag brillierte der ausgebildete Jurist, Soziologe und Philosoph mit Analysen, Kritik und konstruktiven Handlungsanleitungen an die Politik. Die Linie des lebendigen Referats war aber weniger das Stromthema, so wie im Programm angekündigt ("Sonne an - AKWs aus"), sondern Klimawandel und Nachhaltigkeit, welche ja nicht nur ständig die Energiefrage begleitet, sondern fast alle Konsumbereiche umfasst.
Einige Kernsätze des Vortrags: Nachhaltigkeit ist definiert als dauerhafte und globale Durchhaltbarkeit von Lebens- und Wirtschaftsweisen. Die Nutzung von auf Energie basierenden Ressourcen beruht aktuell zu einem großen Teil auf Erdöl – Konsumgüter, Mobilität und Transport, Nahrung und Düngung, Wärme und Heizen usw. Der Stromanteil am Weltenergiebedarf beträgt nur ein Viertel. Atomkraft ist nur zu 3 Prozent am Energieverbrauch beteiligt. Energieverbrauch und Klimawandel sind eng verknüpft. Änderungen bei der Nutzung der Atomenergie beeinflussen das Klimaproblem nur marginal. Die Kosten des Klimawandels sind fünf mal so hoch wie vorbeugende Maßnahmen zum Stoppen der Erderwärmung. Einen hohen Anteil an klimaschädlichen Emissionen trägt der Fleischkonsum bei. Die Hauptverursacher des Klimaproblems sind die westlichen Industrienationen. Dies lässt sich in einer Bilanz des Energieverbrauchs pro Kopf festmachen. Zur Milderung der schädlichen Klimafolgen müssen die Emissionen bis 2050 um 80 Prozent sinken.
Es gibt in Europa bis heute keine echte Absenkung der Treibhausgase. Die Energiepolitik zielt auf technische Optionen. Die dabei erreichten Einsparungen werden durch vermehrte Nutzung oder durch bloße Verlagerungseffekte kompentisert (z. B. mehr Autos, größere Wohnflächen), als politisches Ziel wird immer noch Wachstum propagiert. Genau das Gegenteil müsse angestrebt werden, nämlich Selbstbegrenzung. Diese jedoch nicht als moralischer Appell, sondern durch politische Steuerung. Die Politik macht aber das gerade nicht. Die meisten Maßnahmen und Statements beruhen auf Täuschungen. Technische Effizienz wird durch mehr Konsum kompensiert, die Produktion wird verlagert, die Menschen arbeiten immer gleich viel trotz Minderung des Arbeitsumfanges durch technische Neuerungen. Dabei befinden sich Bürger und Politik wie auch Konsumenten und Wirtschaft im Teufelskreis. Bürger und Politiker ändern das Handeln nicht. Die Menschen wollen keine Selbstbegrenzung, und die Politiker wollen wiedergewählt werden und packen deshalb keine unpopulären Maßnahmen an. Mehr Konsum stärkt die Wirtschaft, verschärft aber die Klimaprobleme.
Was tun? Die Politik muss einschränkende Maßnahmen ergreifen. Die Botschaft heißt Globale Mengensteuerung. Ein Mittel wäre ein neu gestalteter Zertifikatmarkt, der gezielt Emissionen sukzessive verknappt. Er lässt sich mit verteilungspolitischen Ausgleichsmaßnahmen verbinden. Startet man den neuen Zertifikatmarkt allein in Europa, müsste er mit Maßnahmen zum Schutz der Wettbewerbsfähigkeit verbunden werden. Das Verteilungsproblem müsse gelöst werden. Thesen und Ausführungen sind im Web nachzulesen (Forschungsgruppe Nachhaltigkeit und Klimapolitik, www.nachhaltigkeit-gerechtigkeit-klima.de) oder im Buch COOL DOWN (Herder-Verlag, 2. Aufl. 2012).